Dossier

"Niemals geht man so ganz" Abschied vom Bundestag

Nach 29 Jahren im Parlament wird SPD-Fraktionschef Struck den Bundestag im Herbst verlassen - sein Abschied wurde jedoch schon jetzt gebührend gefeiert. Aber auch andere altbekannte Politiker werden nach der Bundestagswahl im Berliner Reichstag fehlen.

Struck (rechts) trat auf dem Hoffest der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin zusammen mit der Band "4Peppers" auf.

Struck (rechts) trat auf dem Hoffest der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin zusammen mit der Band "4Peppers" auf.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Wunderkerzen funkelten in den Abendhimmel. Zu Mitsing-Liedern wie "Drink doch ene met" oder "Dat Wasser vun Kölle" wurde kräftig geschunkelt. Das Berliner Abschiedsfest für ihren scheidenden Vormann am Dienstagabend hatte sich die SPD-Fraktion einiges kosten lassen. Die Kölner Traditionsband "Bläck Fööss" sorgte für passende Nostalgie-Stimmung.

Viel Wehmut ließ auch Peter Struck anklingen, der nach 29 Jahren nun bald dem Parlament nicht mehr angehört. Erst Bonn, dann Berlin: "Damit schließt sich der Kreis für mich", wurde Struck, der nach dem Eindruck mancher Parteifreunde derzeit wahre Abschieds-Festspiele zelebriert, mit Blick auf die rheinischen Mundart-Barden recht emotional. Und der 66-Jährige versprach von der Bühne sogar, ein geschenktes Golfset im Ruhestand zu nutzen.

Strucks Auftritt amüsiert die Kollegen: SPD-Chef Müntefering, die Fraktionschefin von Büdnis 90/Die Grünen, Künast, und Außenminister Steinmeier (von links).

Strucks Auftritt amüsiert die Kollegen: SPD-Chef Müntefering, die Fraktionschefin von Büdnis 90/Die Grünen, Künast, und Außenminister Steinmeier (von links).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ob der Ex-Verteidigungsminister und mit ihm zahlreiche andere am 27. September ausscheidende Bundestagsabgeordnete für solche Freizeit-Aktivitäten tatsächlich Zeit finden, steht dagegen noch nicht fest. Der Trude-Herr-Song "Niemals geht man so ganz", den ein SPD-Chor zum Abschluss des Abends für Struck intonierte, lieferte schon einen Vorgeschmack. Auf einmal ganz loslassen, das können die wenigsten. Mit der Rolle, plötzlich nicht mehr im täglichen Rampenlicht zu stehen, kommen viele nicht klar. Einige haben sich deshalb rechtzeitig nach lukrativen Anschlussverwendungen umgesehen.

Mehr als 100 "Abgänge" stehen fest

Mehr als 100 der derzeit 612 Parlamentarier werden auf jeden Fall im neuen Bundestag nicht mehr sitzen - weil sie freiwillig Schluss machen oder nicht wieder aufgestellt wurden. Besonders viele Abgänge verzeichnet die SPD. Neben Struck kommen mindestens 55 weitere ihrer momentan 211 Parlamentarier nicht wieder. Dazu gehört das halbe Kabinett von Ex-Kanzler Gerhard Schröder - die damaligen Minister Hans Eichel (Finanzen), Otto Schily (Innen), Herta Däubler- Gmelin (Justiz), Walter Riester (Arbeit), Renate Schmidt (Familie) und Kurt Bodewig (Verkehr). Auch Kurzzeit-Fraktionschef Ludwig Stiegler geht, ebenso bekannte Namen wie Walter Kolbow, Ortwin Runde oder Gert Weißkirchen.

Auch Ex-CDU-Fraktionschef Merz kann Stimmung machen …

Auch Ex-CDU-Fraktionschef Merz kann Stimmung machen …

(Foto: REUTERS)

Bei der Union stehen 34 Abgänge fest. Der prominenteste bei der CDU ist der frühere Fraktionschef Friedrich Merz, der sich mit zahlreichen Nebenjobs in der Wirtschaft aber keine Zukunftssorgen machen muss. Mit dem Ausscheiden von Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert und dem ehemaligen Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer ("008") neigt sich auch die Ära von Helmut Kohl im Parlament langsam dem Ende zu. Schluss machen auch Wirtschafts- Staatssekretär Hartmut Schauerte, der Finanzpolitiker Otto Bernhardt, sein Umwelt-Kollege Klaus Lippold oder Gerald Weiß (alle CDU) von den Sozialausschüssen. Bei der CSU gehen Langzeit-Mandatsträger wie Eduard Linter, Maria Eichhorn oder Renate Blank in Pension.

Überschaubar ist Zahl bei den kleineren Parteien. Bei der FDP, die auf Ämter in der künftigen Regierung hofft, wirft Otto Schilys Bruder Konrad nach nur vier Jahren auf der Bundestags-Hinterbank ziemlich frustriert das Handtuch. Altersbedingt nicht mehr angetreten sind Parlamentarier wie Detlef Parr und Horst Friedrich. Bei den Grünen nicht ganz freiwillig gehen Ex-Entwicklungs-Staatssekretärin Uschi Eid und Silke Stoka. Anna Lührmann, die 2005 als jüngste Abgeordnete ins Parlament einzog, zieht mit der Familie nach Afrika. Bei der Linkspartei hören Norman Paech und Hakki Keskin auf.

Was kommt danach?

Die meisten Noch-Mandatsträger halten sich bedeckt, in welchen neuen Jobs sie künftig auftauchen werden. Bei dem einen oder anderen gibt es aber schon Hinweise.

So will dem Vernehmen nach Ex-Arbeitsstaatssekretär Gerd Andres (SPD) künftig als Türkei-Lobbyist tätig werden. Über einen Wechsel zur Deutschen Bahn wird bei den Verkehrsexperten Georg Brunnhuber (CDU) und Achim Großmann (SPD) spekuliert. Walter Riester verdient jetzt schon kräftig mit Vorträgen über die nach ihm benannte Rente hinzu und bleibt damit wohl auch künftig gut im Geschäft. Otto Schily tummelt sich schon jetzt unter anderem in einem Investment-Beirat. Und Peter Struck möchte am liebsten so schnell wie möglich seine Parteifreundin Anke Fuchs an der Spitze der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung beerben.

Quelle: ntv.de, Joachim Schucht, dpa

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