Sklaverei in Mauretanien Als Leibeigener geboren
25.03.2007, 10:36 UhrVor zwei Jahren ist Matalla die Flucht gelungen. Er floh vor seinen Herren, arabischen Nomaden in den Wüsten im Nordosten Mauretaniens. "Ich wurde als Sklave geboren", sagt der schüchterne Mann mit gesenktem Blick. In dem islamischen Staat gibt es ein jahrhundertealtes System der Leibeigenschaft, das trotzt demokratischem Bestreben der ehemaligen französischen Kolonie bis heute fortbesteht. Auch nach der Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag dürfte Sklaverei in Mauretanien bitterer Alltag von Tausenden Menschen bleiben.
Matalla weiß weder seinen Nachnamen noch sein Alter, scheint zwischen 30 und 40 zu sein. Alle seine Vorfahren waren Sklaven der arabischen Krieger des Stammes der Reguibat. "Meine Tante und meine Brüder sind immer noch Sklaven bei ihnen." Seit seiner Flucht habe er nichts mehr von ihnen gehört. Matalla musste Kamele hüten. "Wir wurden manchmal gefesselt, wenn wir Tiere verloren haben. Ich habe hier eine Narbe", sagt er und zeigt auf seinen Wangenknochen unter seinem rechten Auge. "Da haben sie mich mit einem Stock geschlagen. Die Kinder von meinen Herren haben das getan, als ich eins der Tiere verloren hatte."
Sklaven in Mauretanien werden von Generation zu Generation weitergegeben -wie ein Familienbesitz. Sie hüten Tiere in der sengenden Hitze der Sahara oder servieren heißen Minztee in den Villas von Nouakchott. Menschenrechtsaktivisten vermuten, dass es tausende von ihnen gibt. Der Zustand wird in der hierarchisch geprägten, aus verschiedenen ethnischen Gruppen zusammengesetzten Gesellschaft akzeptiert. Die Macht hat traditionellerweise die hellhäutige maurische Elite, die sogar bestreitet, dass es überhaupt Sklaverei gibt.
Aber Menschenrechtsaktivisten sagen, dass sich das Herr-Sklaven-Verhältnis und seine sozialen Auswirkungen in den Köpfen von allen Mauretaniern eingebrannt habe. "Es ist, als ob man Schafe oder Ziegen hat. Wenn eine Frau Sklavin ist, sind ihre Kinder auch Sklaven", sagt Boubacar Messaoud, der als Sklave geboren wurde und jetzt der führende Aktivist gegen Sklaverei in Mauretanien ist. Ein Erlass von 1981, der Sklaverei gesetzlich verbietet, habe keinerlei Auswirkung.
Die Militärjunta, die gerade von einem demokratisch gewählten Parlament abgelöst wird, scheut sich vor der Diskussion und spricht lediglich von "Überresten der Sklaverei". Angst und Geheimnistuerei machten es schwierig, Fälle von Sklaverei aufzudecken, sagen Anti-Sklaverei-Gruppen wie Messaouds SOS-Slaves.
Dennoch tauchen immer wieder geflohene Sklaven auf. So wie Matalla. "Als mir bewusst wurde, in welcher Situation ich mich befinde, habe ich über die beste Möglichkeit der Flucht nachgedacht, ohne dass ich erwischt werde. Ich wusste, dass ich getötet werden könnte, wenn ich diese Möglichkeit nicht finden würde." Eines Tages, als er wieder in der Wüste auf die Kamelherde aufpasste, traf er mauretanische Soldaten, die ihn um Milch baten. Der Anführer sei selbst Nachkomme von Sklaven gewesen und habe angeboten, ihm bei seiner Flucht zu helfen. "Wir holten die Milch. Dann fuhren wir im Auto weg. Meine Herren waren sehr wütend." Matalla erzählte den Soldaten, dass seine Herren ihn gefoltert hätten. "Ich sagte, ich würde mich eher von ihnen erschießen lassen, als dort zu bleiben."
Quelle: ntv.de