Wenn der Chef Schulze heißt Antideutsche Stimmung in Zürich
28.01.2010, 12:54 UhrDie Schweizerische Volkspartei hat ein neues Ziel: der "deutsche Filz". Die Stimmung gegen Deutsche im Volk ist nicht die beste, aber die Wissenschaft braucht sie.

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"Deutsche!" steht in bedrohlich schwarzen Lettern auf einem Plakat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), das Anfang des Jahres in Zürich veröffentlicht wurde. Mit einem dicken nach oben zeigenden Balken, der die angeblich steigende Zahl der Berufungen deutscher Wissenschaftler an der Uni Zürich symbolisieren soll, wollte die Partei auf einen "deutschen Filz" an den Zürcher Hochschulen aufmerksam machen. Erst kurz zuvor hatte die SVP weltweit mit ihrer erfolgreichen Anti-Minarett-Kampagne für negatives Aufsehen gesorgt.
"Kaum haben wir die Minarett-Initiative hinter uns, kehrt die Schweiz zu ihrem eigentlichen Lieblingsthema zurück: den Deutschen", schrieb der liberale Zürcher "Tagesanzeiger". Gemeint ist damit nicht allein die SVP-Filz-Kampagne, die übrigens verschweigt, dass 2009 mehr Schweizer als Deutsche in Zürich berufen wurden und der sich 200 Zürcher Professoren in einer Anzeige massiv widersetzten. Nein, die Hemmschwelle, seinen Unmut über die Deutschen laut zu äußern, ist gesunken, konstatiert die Zeitung.
Anzahl Deutscher in Schweiz verdoppelt
Anlass ist eine Sendung des "Clubs" im Schweizer Fernsehen. Thema: Die Deutschen in der Schweiz. In der Talkshow meint selbst der als liberal geltende Medien-Unternehmer und frühere Sat1-Chef Roger Schawinski, man solle mit den Deutschen in der Schweiz nicht hochdeutsch sprechen.
Rund 250.000 Deutsche leben in der Schweiz (Einwohnerzahl 7,45 Millionen), davon allein 28.000 in Zürich. Seit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU 2002 ist das eine glatte Verdoppelung. Vor allem Hochschulen und Krankenhäuser in der deutschsprachigen Schweiz könnten ihren Betrieb einstellen ohne die deutschen Mitarbeiter. In grenznahen Regionen wie im Thurgau oder St. Gallen kommen bis zu ein Drittel der Ärzte und Pflegekräfte an Spitälern aus Deutschland.
Mörgeli mit seinem Vorstoß keine Chance
An der Universität Zürich und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) ist der Vorstoß der SVP als diskriminierend und fremdenfeindlich zurückgewiesen worden. Pikant ist, dass einer der bekanntesten Deutschen-Kritiker, der SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, sich in Zürich um eine Professur beworben hatte, aber einem Deutschen unterlag. "Es geht nicht um mich, aber wenn man hier immer Steuern bezahlt und Militärdienst geleistet hat, dann staunt man schon ein bisschen, wenn der Chef plötzlich Schulze heißt", meinte er dazu im Fernsehen. Und setzte noch einen drauf, als er dem Rektor der Universität Bern, Urs Würgler, vorwarf, mit der Ehrendoktorwürde für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drücke sich eine "irgendwie kriecherische Haltung" gegenüber den Deutschen aus.
Allerdings kamen im Club auch Stimmen der Vernunft zu Wort, etwa von Rudolf Strahm, Präsident des Weiterbildungsverbands. Er monierte, dass der eigene akademische Nachwuchs in der Schweiz über Jahrzehnte vernachlässigt worden sei. Würgler sagte, dass gute Niveau der Schweizer Universitäten sei nur durch die internationale Professorenschaft möglich.
Schlechte Stimmung gegenüber Deutschen
Doch die Stimmung gegenüber den Deutschen, die 2009 noch durch forsche Äußerungen des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück (SPD) zur Steuerpolitik der Eidgenossen angeheizt wurde, ist schlecht. Schon fünf Anzeigen wegen Drohbriefen gegen Deutsche hat die Polizei in Zürich bekommen. "Die Kugel für Sie steht schon bereit, du elende Deutsche", heißt es etwa in holperigem Hochdeutsch in einem Brief an eine Frau, die schon seit 30 Jahren in der Schweiz lebt.
Quelle: ntv.de, Frank Heidmann, dpa