Dossier

Selbstkritik in Damaskus Araber sind entzweit

Das arabische Wort Fitna bedeutet Spaltung. Die Muslime assoziieren mit diesem Begriff vor allem die Spaltung der Anhänger des Propheten Mohammed in Sunniten und Schiiten. In diesen Tagen ist das Wort aus zwei Gründen in aller Munde: Erstens, weil der rechtspopulistische niederländische Politiker Geert Wilders gerade einen Film mit dem Titel "Fitna" veröffentlicht hat, in dem er behauptet, Muslime seien generell gewalttätig und intolerant. Zweitens, weil die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga, von denen sich viele in ihrer Verfassung auf den Islam berufen, an diesem Wochenende bei ihrem Gipfel in Damaskus in einem seltenen Anfall von Selbstkritik über die Gründe für die aktuelle Spaltung des arabischen Lagers debattiert haben.

Der größte Graben verläuft derzeit zwischen den treuen Verbündeten der USA in der Region und den Regierungen, die in der amerikanischen Nahost-Politik die Wurzel allen Übels sehen und dies auch öffentlich sagen. Auf der Seite Washingtons stehen vor allem Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, die irakische Regierung und die Regierung des libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora. Die Staats- und Regierungschefs dieser Staaten erschienen alle nicht zum Gipfel. Einige schickten Vertreter, der Libanon boykottierte das Treffen komplett. Denn der Gastgeber Syrien, der enge Beziehungen zum Iran pflegt, steht eindeutig auf der Seite der Gegner Washingtons, gemeinsam mit Libyen und dem Sudan.

Gipfel der Gelegenheiten

"Dieser Gipfel ist eine gute Gelegenheit, um die Schwierigkeiten in den innerarabischen Beziehungen auszuräumen", erklärt der syrische Vizeaußenminister Faisal Makdad am Rande des Gipfeltreffens. Der libyische Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, dessen geistige Kapriolen schon so manchem arabischen Gipfel ein humoristisches Gepräge verliehen haben, schlägt den entzweiten Arabern gar vor, sich doch lieber der von ihm ins Leben gerufenen Afrikanischen Union anzuschließen. Diese Organisation werde sicher so großzügig sein, auch die arabischen Staaten Kleinasiens aufzunehmen.

Auch der sonst meist recht diplomatische Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, nahm diesmal kein Blatt vor den Mund. "Die arabischen Völker haben kein Verständnis dafür, dass sich ihre Regierungen nicht einigen können", sagte der Ägypter, der in den vergangenen Monaten fast die Hälfte seiner Zeit damit verbracht hat, nicht nur die Gräben zwischen den Staaten, sondern auch in den einzelnen arabischen Ländern zu schließen - ohne großen Erfolg.

Im Libanon liegen die anti-syrische Siniora-Regierung und die Opposition unter Führung der pro-syrischen Schiiten-Partei Hisbollah seit über einem Jahr überkreuz, weshalb das Land seit November keinen Präsidenten mehr hat. Die radikal-islamische Hamas-Bewegung und die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas finden nicht mehr zueinander, obwohl ihnen die arabischen "Brüder" vorwerfen, sie spielten mit ihrer Zerstrittenheit nur Israel in die Hände. Und auch im Irak, wo an der sunnitisch-schiitischen Front gerade etwas Ruhe eingekehrt war, tritt schon die nächste Fitna zutage. Diesmal sind es die verschiedenen Schiiten-Fraktionen die einander bekämpfen. "Amre Mussa hat die Geduld eines Heiligen, und die braucht man auch, wenn man die Arabische Liga leitet", kommentierte ein ägyptischer Diplomat.

Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Quelle: ntv.de

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