Brei "mit Würmern auf dem Grund" Auschwitz lebt in der Erinnerung
27.01.2010, 09:57 UhrHunger, Folter, Tot: Die persönlichen Schilderungen über Auschwitz sind schrecklich. Nur noch wenige der damaligen Kinder können davon erzählen.

Vor 65 Jahren wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreit.
Die grausamen Erlebnisse im Konzentrationslager Auschwitz haben Kazimiera Wasiak für ihr Leben gezeichnet. Elf Jahre war die Polin alt, als sie Anfang August 1944 im Zusammenhang mit dem Warschauer Aufstand mit dutzenden Kindern in das Lager gebracht wurde. Sechs Monate lang litt sie an Hunger. Zu essen gab es nur einen Brei aus Roggenmehl - "mit Würmern auf dem Grund", erzählt die heute 76-Jährige. Für den Todesmarsch war das Mädchen zu schwach. Vielleicht deshalb zählt sie zu den rund 2000 Kindern, die den Schrecken von Auschwitz überlebten.
Heute ist Kazimiera Wasiak Schatzmeisterin eines Vereins polnischer Auschwitz-Überlebender. Regelmäßig trifft sie Menschen, die ihre von Gewalt und Leid überschatteten Kindheitserinnerungen teilen. Da ist zum Beispiel Stanislaw Przeradzki, heute 78 Jahre alt. Fünf Jahre lang lebte er unter der Knute der Nazis in Warschau, bevor er wie Kazimiera Wasiak und tausende andere nicht-jüdische Zivilisten kurz nach Beginn des Aufstands deportiert wurde. Die Bilder bleiben auch für ihn unvergessen: "Wir haben alles gesehen: Soldaten, die auf der Straße auf unschuldige Menschen schießen, die Brutalität, die Luftangriffe."
Zu schwach für den Todesmarsch
Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im damals besetzten Polen hielten die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs rund 232.000 Kinder gefangen. Die meisten von ihnen waren Juden. Hinzu kamen nach Angaben der Gedenkstätte in Auschwitz rund 11.000 Roma, 3000 Kinder aus Polen und rund 1000 weitere aus Russland und der Ukraine. Es war das größte Vernichtungslager, das die Nazis für die von ihnen angestrebte systematische Ausrottung der Juden errichtet hatten. Auschwitz wurde zum Inbegriff für den Holocaust.
Zehn Tage bevor die Rote Armee am 27. Januar 1945 das Lager befreite, trieben die Nazis rund 60.000 Gefangene auf dem sogenannten Todesmarsch in andere Lager. Die Mangelernährung hatte Kazimiera Wasiak zu stark zugesetzt. "Ich war zu schwach, um aufzubrechen", erzählt die 76-Jährige. Mit ihr blieben rund 7000 Menschen in Auschwitz - die Rettung ließ noch auf sich warten.
Knochen gesucht und abgenagt
Kurz vor der offiziellen Befreiung erreichten die ersten sowjetischen Soldaten das Lager. "Sie trugen selbst nur Lumpen am Leib und hatten Hunger", erinnert sich Wasiak. Die Patrouille habe vor der Baracke der Kinder eine provisorische Küche eingerichtet und dort Pferdefleisch verspeist. "Wie Hunde haben wir sie angefleht, uns ein bisschen abzugeben. Sie haben sich darüber amüsiert und uns die Knochen in den Schnee geworfen", erzählt die Überlebende und kann ihre Tränen kaum zurückhalten. "Wir haben sie gesucht und abgenagt."
Wasiak verließ das KZ letztlich in einer Gruppe von 30 Kindern, geführt von einer Gefangenen. Doch ihr Weg in die Freiheit war beschwerlich. "Es war sehr kalt. Im Schnee lagen Leichen. Wir sind über die Menschen gestolpert, die während des Todesmarsches hingefallen sind und getötet wurden", berichtet sie. Nur noch wenige können wie Kazimiera Wasiak aus persönlichen Erlebnissen die Schreckensherrschaft der Nazis in Auschwitz schildern. 65 Jahre nach der Befreiung des Lagers leben von den 2000 Kindern, die aus Auschwitz entkamen, heute nur noch rund 200.
Quelle: ntv.de, Mary Sibierski, AFP