Dossier

Irreale Welt mitten im Chaos Bagdads "Grüne Zone"

Wenn am 10. März erstmals seit vielen Jahren Diplomaten aus aller Welt zu einer internationalen Konferenz in Bagdad einfliegen, dann gibt es für sie nur einen Ort, an dem sie sicher sind: die vom US-Militär streng bewachte "Grüne Zone". Umstellt von fünf Meter hohen Betonmauern und durch Wachtürme und Kontrollpunkte gesichert, erstreckt sich Bagdads "verbotene Stadt" über gut zehn Quadratkilometer am Westufer des Tigris.

Sie verfügt auch über die technische Infrastruktur, wie sie bei einem Treffen von Botschaftern und hohen Beamten benötigt wird. Auf Einladung der irakischen Regierung werden Vertreter der fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, der Nachbarländer und internationaler Organisationen erwartet. Sie sollen über irakische Zukunftsfragen wie Sicherheit, Aussöhnung und Wirtschaft beraten.

Das Kernstück der Grünen Zonen bilden die Palastanlagen des Ende 2006 hingerichteten Ex-Diktators Saddam Hussein. Sein Palast der Republik, der 258 Zimmer hat, diente anfangs als Sitz der US-Besatzungsbehörde und ist heute das Hauptgebäude der US-Botschaft. Auch die Briten und andere - nicht jedoch die Deutschen - haben ihre diplomatischen Vertretungen in dem weitläufigen, von Palmenhainen und Grünflächen durchzogenen Areal. Aus Gründen der Sicherheit sind außerdem sämtliche irakische Regierungsinstitutionen - die Präsidentschaft, die Regierung, das Parlament - dort beheimatet.

Das US-Militär bemächtigte sich unmittelbar nach seinem Einmarsch im April 2003 der Saddamschen Paläste. Der Diktator und seine Leibgarden waren geflohen, die verblüfften US-Soldaten fanden sogar noch eine Milliarde Dollar in bar. Doch während früher nur die eigentlichen Palastanlagen für die Iraker verbotenes Terrain waren, sperrten die Amerikaner auch die umliegenden Durchgangsstraßen und die 14.-Juli-Brücke über den Tigris für jeden Verkehr. Außerdem wurden weitere Häuser, wie etwa das einstige Journalisten-Hotel Raschid, in die Grüne Zone "eingemeindet". Die dadurch ausgelösten Mega-Staus trugen schon in der Anfangsphase zum wachsenden Unmut der Iraker über die selbst ernannten Befreier bei.

In dem Areal entstand bald eine Parallelwelt, in dem Tausende Besatzungsbeamte - heute Mitarbeiter der US-Botschaft - in einer Art "Amerika unter Palmen" leben. "Es ist ein perfektes Nahost-Paradies, eine Fantasie aus Gärten und Teichen, wo sich Fußwege mit ornamentaler Brücken über künstliche Gewässer kreuzen", schrieb ein Reporter des US-Magazins "The Atlantic Monthly". Die Bewohner der Grünen Zone können in McDonald's-Läden oder italienischen Restaurants essen, empfangen Satelliten-Fernsehen, sind rund um die Uhr Online und haben Mobil-Telefone mit amerikanischen Nummern. Die Höhergestellten unter ihnen planschen in ihrer Freizeit im Swimming Pool, umstellt von bunten Sonnenschirmen, als wären sie auf Hawaii.

Schnell wuchs die Kluft zwischen dem behüteten Leben in der "Blase", wie sie von den Zonen-Bewohnern selbst genannt wird, und der gewalttätigen, chaotischen Wirklichkeit draußen. Dort - in der so genannten "Roten Zone" - kämpfen fünf Millionen Bagdader ums tägliche Überleben. Daran, dass diese Kluft längst schon unüberwindbar scheint, ändern auch die Umbenennungsversuche der Amerikaner nichts. So heißt etwa Saddams ehemaliger Republikspalast "Annex zur amerikanischen Botschaft" - US-Botschafter Zalmay Khalilzad residiert in der Tat in einer nahe gelegenen Villa. Und die Grüne Zone wird nunmehr offiziell "Internationale Zone" genannt - eine Wortschöpfung, die selbst den meisten ihrer Bewohner kaum über die Lippen kommt.

(Gregor Mayer, dpa)

Quelle: ntv.de

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