Dossier

Kriegsfilmkulisse auf den Straßen Bangkok versinkt im Kugelhagel

Immer wieder brechen kleine militante Gruppen aus dem eigentlich abgeriegelten Protest-Camp aus, um Brände zu legen.

Immer wieder brechen kleine militante Gruppen aus dem eigentlich abgeriegelten Protest-Camp aus, um Brände zu legen.

(Foto: AP)

Rothemden gegen Soldaten, Benzinbomben gegen Scharfschützen, Thai gegen Thai - nach dem blutigen Gewaltwochenende mit Dutzenden Toten wird in Bangkok weiter gekämpft.

Wer in Bangkok zuerst die weiße Fahne hebt, ist heiß umstritten: "Wenn sie aufhören zu schießen und die Soldaten abziehen, verhandeln wir wieder", sagen die Oppositionellen. "Wenn sie ihre Blockade aufgeben und abziehen, reden wir wieder", sagt die Regierung. Ein Patt.

Der verbale Schlagabtausch findet vor einer Kulisse wie aus einem Kriegsfilm statt: dicke Rauchsäulen steigen von brennenden Barrikaden aus Autoreifen auf, Soldaten zielen mit Maschinengewehren durch Wälle aus Sandsäcken. Junge Männer schleudern Benzinbomben mit selbst gemachten Gummi-Schlingen. Sie schützen sich mit Moped-Helmen vor Gewehrkugeln. Hundertschaften von Soldaten pirschen sich im Schutzfeuer von Kameraden an und nehmen eine Kreuzung ein. Schüsse peitschen durch die Luft, Frauen mit Kindern rennen um ihr Leben.

Protest-Camp im edelsten Geschäftsviertel

Und die Demonstranten tanzen. In ihrem Lager mitten im edelsten Geschäftsviertel der Metropole machen die Menschen sich mit einer Show der Stärke Mut. Als Helikopter vorbeifliegen und Flugblätter mit dem Aufruf zum Aufgeben abwerfen, zünden sie Feuerwerkskörper in ihre Richtung. Mit dem Papier machen sie Feuer. "Wir bleiben hier sitzen. Wir kämpfen nicht. Und wenn sie uns töten wollen, sollen sie uns töten", sagt einer der Protestanführer, Weng Tojirakarn. Er sitzt im weißen T-Shirt auf der Bühne und sieht ziemlich müde aus.

Wer zuerst aufgibt, daran scheiden sich die Geister. Die Armee verhält sich nach Ansicht von ausländischen Diplomaten dilettantisch.

Wer zuerst aufgibt, daran scheiden sich die Geister. Die Armee verhält sich nach Ansicht von ausländischen Diplomaten dilettantisch.

(Foto: AP)

Die Geschichte von den unbewaffneten Demokratie-Anhängern, die der brutalen Militärgewalt ihrer Regierung ausgesetzt sind, stimmt so nicht. Junge Männer schleppen Benzinkanister heran, um neue Brandbomben zu basteln. Mit List und Tücke schaffen es immer wieder Grüppchen von Militanten aus dem eigentlich abgeriegelten Protest-Camp heraus, um neue Barrikaden zu errichten und Brände zu legen.

Sympathie unter den Soldaten

Die Taktik hat ihnen Khattiya Sawasdipol beigebracht, ein abtrünniger Armeegeneral, der zu den Rothemden überlief. Er brüstete sich als "Militärchef" der Rothemden. Ein Scharfschütze streckte ihn am vergangenen Donnerstag mit einem Kopfschuss nieder. Der Schuss rauschte haarscharf am Kopf von Thomas Fuller vorbei, einem Korrespondenten der "New York Times". "Wird die Armee die Festung der Demonstranten einnehmen?" fragte Fuller. "Das Militär kommt hier nicht rein", antwortete Khattiya. Dann knallte der Schuss.

Warum die an Leuten und Waffen übermächtige Armee dem Spuk kein Ende setzen kann, bleibt ein Rätsel. "Sie sind so dilettantisch, dass man kaum hinsehen mag", sagt ein ausländischer Diplomat. Das Militär hat aber ein Problem: unter den Soldaten gibt es eine Menge Sympathie für die Rothemden. Die Gewalt überschattet deren eigentliches Anliegen: Ein Ende der Regierung, die durch Kungelei von Militärspitze, Royalisten und alten Elite-Familien an die Macht kam, und eine neue Ordnung, in der die Kleinverdiener mehr zählen: Bauern, Taxifahrer, Zimmermädchen. Aus dem Milieu stammen auch viele der Soldaten, die jetzt an vorderster Front stehen müssen.

Quelle: ntv.de, Christiane Oelrich, dpa

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