Finstere Miene Beck erklärt nichts
09.09.2008, 13:51 UhrEr sieht blass aus und müde. Auf der Tafel im Hintergrund steht nicht "SPD", sondern "Rheinland-Pfalz". Sein Rücktritt vom Amt des SPD-Vorsitzenden sei "eine bewusste Entscheidung nach einer intensiven Selbstprüfung von Samstagabend bis Sonntagfrüh" gewesen, erklärt Kurt Beck in der Mainzer Staatskanzlei. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt als ehemaliger SPD-Chef.
Inhaltlich gibt es nicht viel Neues. "Ich habe kein Interesse, meiner Partei zusätzliche Schwierigkeiten zu machen", betont Beck. Aber was er "in dieser wohlüberlegten Presseerklärung" vom Sonntag aufgeschrieben habe, "entspricht nicht einem Gefühl, sondern Fakten".
In besagter Erklärung hatte Beck seinen Rücktritt als Ergebnis einer Intrige dargestellt. "Nachdem ich vor gut zwei Wochen Frank-Walter Steinmeier gebeten habe, die Spitzenkandidatur zu übernehmen, haben wir in einer Reihe von Gesprächen sorgfältig und vertrauensvoll die Vorbereitungen getroffen", hieß es darin. "Teil dieses Konzeptes der Geschlossenheit war auch die Einbeziehung des ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering. (...) Aufgrund gezielter Falschinformationen haben die Medien einen völlig anderen Ablauf meiner Entscheidung dargestellt. Das war und ist darauf angelegt, dem Vorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen. Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Möglichkeit mehr, das Amt des Parteivorsitzenden mit der notwendigen Autorität auszuüben."
"Im Interesse des Selbstrespekts"
Mit anderen Worten: Irgend jemand hat der Presse - gemeint sind "Spiegel" und "Berliner Zeitung" - weisgemacht, dass Beck erst auf Steinmeiers Druck hin bereit war, ihm bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt zu lassen. Allerdings war diese Version schon am Samstagabend nicht besonders glaubwürdig: In Berlin war es längst ausgemachte Sache, dass Steinmeier Kanzlerkandidat der SPD werden würde. Druck auf Beck auszuüben war sicherlich nicht notwendig.
In Mainz wiederholt Beck, seine Autorität sei untergraben worden - endgültig untergraben, darf man hinzufügen. "Den Medien wurden bewusste Fehlinformationen zugespielt, 'spinnen' nennt man das wohl." Am frühen Sonntagmorgen sei er zu der Überzeugung gekommen, "dass es nicht mehr möglich ist, meine Aufgabe sinnvoll zu erfüllen" - schließlich sei es das Recht des SPD-Vorsitzenden, den Kanzlerkandidaten vorzuschlagen. Er habe "im Interesse der Partei" entschieden, "im Interesse auch der Menschen in Rheinland-Pfalz" und "im Interesse des Selbstrespekts, den sich jeder Mensch schuldet".
Freundschaftliche Gespräche mit Steinmeier
Beck bleibt bei seinen Vorwürfen, und er bleibt unkonkret: Die Entscheidung, Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidaten der SPD vorzuschlagen, habe er bereits vor Monaten getroffen - "für mich", wie er sagt. Nach der Sommerpause habe er Gespräche mit Steinmeier aufgenommen, "sehr gute Gespräche, sehr freundschaftliche Gespräche". Am letzten dieser Gespräche am vergangenen Donnerstag in Bonn sei auch Franz Müntefering beteiligt gewesen. Es habe "die gemeinsam bekundete Absicht" gegeben, "in dieser Konstellation" in die Bundestagswahl zu gehen.
Soweit stimmen die Darstellungen von Beck und Steinmeier überein. Steinmeier hatte am Montag bedauert, dass es bei der Verabredung vom Donnerstag nicht geblieben sei. Auszüge des Gesprächs vom Donnerstag wolle er nicht referieren. Das täte "keiner der beiden Seiten gut", so Steinmeier vage.
Steinmeier sagte auch, er habe Becks Entscheidung "überrascht" und "bestürzt" zur Kenntnis genommen. Mit anderen Worten: "Es hat keinen Putsch gegeben." So fasst Fraktionschef Peter Struck die offizielle Version der Geschichte zusammen. Sie setzt sich durch. "Es bringt nichts, jetzt einen Schuldigen zu suchen. Jetzt müssen wir nach vorne schauen", sagt ein hessischer Sozialdemokrat gegenüber n-tv.de.
"Wir haben dann recherchiert"
Das weiß auch Beck. Immerhin deutet er an, er wisse, wer die "Falschmeldungen lanciert" habe. "Wir haben dann recherchiert", sagt Beck über die Nacht vom Samstag auf Sonntag.
Seine Rückkehr nach Mainz soll kein neuer Anfang sein. Ministerpräsident und Landeschef der rheinland-pfälzischen SPD will Beck bleiben. Es sei für ihn eine "absurde Situation" gewesen, "auf einmal zu Parteilinken zu zählen". Den Agenda-Prozess habe er "in seinen entscheidenden Teilen" immer für unverzichtbar und richtig gehalten. Ihm sei es lediglich um Änderungen im Detail gegangen, damit "einer richtigen Politik das Verständnis für die betroffenen Menschen hinzugefügt wird".
Sein Scheitern im fernen Berlin erklärt er mit seinem aufrechten Charakter. In seiner Wahrnehmung scheiterte er, weil sein kollegialer und "sozialer" Stil von vielen "missverstanden" wurde - er meint offenbar missbraucht. "Dies bezieht sich ausdrücklich nicht auf die erste politische Reihe", betont Beck. Auf wen es sich bezieht, lässt er offen. Mit solch einem Verhalten würden aber Führungspolitiker zu einsamen Entscheidungen gezwungen. Dies dann später als "Basta-Politik" zu kritisieren, sei "allzu wohlfeil". Er selbst habe nie vorgehabt, sich zu ändern: "Es wird dabei bleiben, dass ich kein anderer bin denn ich bin."
Als er auf Müntefering angesprochen wird, verfinstert sich seine Miene. Es habe am Vormittag ein Telefonat mit Franz Müntefering gegeben, und man werde sich zu Gesprächen treffen. Gut und freundschaftlich dürften diese Gespräche nicht werden.
Quelle: ntv.de