Furchtbares Verbrechen Brandanschlag schockte die Welt
26.05.2008, 21:17 UhrFünf Mädchen und Frauen erstickten am beißenden Qualm, verbrannten bei lebendigem Leib oder stürzten auf der Flucht vor den Flammen in den Tod: Der Brandanschlag von Solingen gilt als das furchtbarste ausländerfeindliche Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das Inferno in dem Wohnhaus einer türkischen Großfamilie markierte 1993 den traurigen Höhepunkt einer Kette rechtsextremistischer Anschläge in Deutschland und empörte die Weltöffentlichkeit. Nach Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Hünxe und Mölln hatte die Welle rechter Gewalt auch die Industriestadt in Nordrhein-Westfalen erreicht. Vier junge Männer hatten das Feuer gelegt. Nun jährt sich das Geschehen zum 15. Mal.
Um 1.42 Uhr in der Nacht des 29. Mai 1993 trifft der erste Notruf ein, 30 weitere folgen in kürzester Zeit. Doch bis die Feuerwehr am Tatort ist, steht das Haus lichterloh in Flammen. Die Täter haben das Treppenhaus in Brand gesteckt, für die Bewohner in den oberen Etagen ist der Fluchtweg versperrt. Die 27-jährige Gürsün Ince springt aus einem Fenster, ihre Schwägerin Hatice Genc (18) und drei Mädchen im Alter von 4, 9 und 13 Jahren kommen in den Flammen um. 14 Familienmitglieder überleben mit zum Teil schwersten Brandverletzungen.
Internationale Empörung
Der damalige NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) spricht am Tatort von einem "beschämenden, schrecklichen Tag". Auch international löst der feige Anschlag Empörung aus. Nach dem Aufruf eines niederländischen Radiosenders treffen 1,2 Millionen Postkarten mit der Aufschrift "Ich bin wütend!" auf Holländisch bei Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ein.
Das schreckliche Geschehen lässt die überlebenden Familienmitglieder nicht los. "Ich bin wie eine lebende Leiche", sagt Mevlüde Genc, Mutter und Großmutter der getöteten Frauen und Mädchen, nach der Tat. "Nachts höre ich die Schreie meiner toten Kinder", berichtet später auch ihr Sohn Kamil von dem nicht enden wollenden Alptraum.
Gedenkstein und Kastanienbäume
Beim Prozess verhängt das Gericht Höchststrafen gegen die Mörder. Im Oktober 1995 verurteilt das Oberlandesgericht Düsseldorf drei der Brandstifter zu zehn Jahren Jugendhaft, einen 25-Jährigen zu 15 Jahren Gefängnis. Bereits im Juni 2000 wird der erste der vier aus der Haft entlassen.
Die Familie Genc beeindruckt die Menschen durch ihren Einsatz für Verständigung. Als nach dem Solinger Brandanschlag in den Straßen der Stadt die Gewalt explodiert, als deutsche Autonome und türkische Jugendliche mit Steinen ihrer Wut über den ausländerfeindlichen Anschlag Ausdruck verleihen, ruft Mevlüde Genc zur Versöhnung auf. "Lasst uns Hand in Hand zusammenleben", so fordert sie seitdem immer wieder ein besseres Miteinander von Deutschen und Türken.
Am Tatort erinnern ein Gedenkstein und fünf Kastanienbäume an die Opfer des Anschlags. Neben Gedenkstunden und Mahnwachen soll auch eine neue Auszeichnung, der Genc-Preis für Versöhnung, die Erinnerung wach halten.
Quelle: ntv.de