Dossier

US-Vorposten unter Feuer Brandgefährlicher Konflikt

Seine Freundschaft mit den USA stellt Georgien stolz zur Schau. Vom Flughafen Tiflis führt die George-W.-Bush-Allee ins Zentrum der georgischen Hauptstadt. Dort parliert Präsident Michail Saakaschwili in amerikanisch gefärbtem Englisch, hat er doch in den USA studiert und danach in einer New Yorker Kanzlei gearbeitet. Saakaschwilis Georgien versteht sich als Vorposten Amerikas im Pulverfass Kaukasus - und als Bannertäger des Westens an der Südwestflanke des ungeliebten Nachbarn Russland. Das macht den Konflikt um Südossetien brandgefährlich, denn hinter Georgien und Südossetien stehen sich die Großmächte USA und Russland frontal gegenüber.

Nachdem Saakaschwili vor fünf Jahren den Ex-Kommunisten Eduard Schewardnadse gestürzt hatte, führte er sein Land eng an die Seite der USA. Tiflis und Washington formten eine Allianz, die beiden Seiten Gewinn versprach. Saakaschwili nutzte den starken Freund USA als Gegengewicht zur Regionalmacht Russland und als Fürsprecher für Georgiens Integration in den Westen. Die USA nutzten Georgien, um den Einfluss Russlands im früheren Hinterhof der Sowjetunion weiter zurückzudrängen und der NATO eine Option zur Ausweitung bis ans Kaspische Meer zu bieten. Auch als Transitland für die gewaltigen Öl- und Gasvorkommen Zentralasiens besitzt Georgien großen strategischen Wert.

Russland fühlt sich provoziert

Moskau versteht die Freundschaft zwischen Tiflis und Washington als Provokation. "Seit Jahren fühlen sich die Russen von der Unterstützung der USA für Georgien und Georgiens Beitritt zur NATO bedroht und in die Enge getrieben", urteilt die US-Kaukasusexpertin Elizabeth Fuller in einer Analyse für den renommierten Council on Foreign Relations in Washington. "Russland nutzt jede Möglichkeit, Georgien zu schwächen, egal, was die internationale Gemeinschaft dazu sagt."

Der Kreml zählt Georgien wie die anderen früheren Sowjetrepubliken auch zur Region des "Nahen Auslands", in der er sich ein Mitspracherecht vorbehält. Das harte Vorgehen gegen Georgien soll also signalisieren, dass Russland den Verlust seiner Einflusszone nicht tatenlos hinnehmen will. "Der Kreml will testen, wie groß die Entschlossenheit des Westens ist, im postsowjetischen Bereich seine Ambitionen durchzusetzen", vermutet Russland-Experte Ariel Cohen von der konservativen Heritage-Stiftung in Washington.

Präzedenzfall Kosovo

Tatsächlich hat Russland sein Eingreifen in Südossetien mit dem "Schutz russischer Staatsbürger" begründet, was seinen Anspruch auf eine Einflusszone auch außerhalb der eigenen Grenzen illustriert. "Wenn die russische Einmischung in Georgien nicht gestoppt wird, werden die Tore geöffnet für Grenzrevisionen und Destabilisierung unter dem Vorwand des 'Schutzes russischer Bürger'", warnt Cohen. Russland freilich argumentiert, dass vor allem der Westen mit der Schaffung des Staates Kosovo auf dem Balkan den Präzedenzfall für Grenzrevisionen gelegt hat.

Für US-Präsident Bush ist Georgien als Vorzeigeprojekt für Demokratisierung und Marktwirtschaft eine Art Musterschüler im Kaukasus geworden. Das Land zählt zu den größten Pro-Kopf-Empfängern von US-Hilfe, seit 1991 floss weit mehr als eine Milliarde Dollar. Die USA haben etwa 130 Militärausbilder in Georgien stationiert, Tiflis wiederum war mit etwa 2000 Soldaten zuletzt drittgrößter Truppensteller der US-geführten Koalition im Irak.

Bedrängt vom Eingreifen der russischen Truppen fordert Georgiens Präsident nun vom großen Freund USA Hilfe, die dieser womöglich nicht leisten kann. "Hier geht es nicht nur um Georgien, sondern um die Prinzipien und Werte Amerikas", warb Saakaschwili im US-Sender CNN. "Wir lieben Amerika, weil wir die Freiheit lieben." Die USA ließen verlauten, dass sie sich militärisch aus dem Konflikt heraushalten und auf Diplomatie setzen. Georgiens Wunsch nach einem Beitritt zur NATO dürfte mit dem Konflikt ohnehin in weitere Ferne gerückt sein - was in Moskau als Erfolg gewertet werden dürfte.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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