Mehr als "übliche Randale" Bücher brennen in Dänemark
04.03.2007, 12:22 UhrBücherverbrennungen und summarische Massenfestnahmen kennen die Dänen eigentlich nur aus dem Geschichtsunterricht. Das haben zwei Gewaltnächte in Kopenhagen mit absurder Zerstörungswut von Demonstranten und einer hart wie nie zuvor durchgreifenden Polizei gründlich geändert. Am Sonntag, nach der ersten wieder ruhigen Nacht, bezeugten Verwüstungen in den Stadtteilen Nrrebro und Christianshavn sowie restlos überfüllte Haftzellen mit 650 Festgenommenen allerdings, dass Dänemarks Hauptstadt mehr durchgemacht hat als nur "die übliche Randale".
Entsetzt berichtete ein Reporter der liberalen Zeitung "Politiken" als Augenzeuge, wie er unter einigen Demonstranten gegen die Räumung des Autonomenzentrums "Ungdomshuset" eine "weitgehende und abgestumpfte Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben anderer" erlebt habe. Er war dabei, als Vermummte eine "Feuerkugel von einem Meter Durchmesser" losschleuderten: "Diese Bombe hätte töten können. Das wird uns allen nun klar."
40 "abgefackelte" Autowracks, massenhaft zerstörte Fahrräder und geplünderte Geschäfte gehörten zu den anderen Hinterlassenschaften. Im Stadtteil Christianshavn hatten Vermummte in der Nacht zum Samstag ein Gymnasium einfach deshalb gestürmt und verwüstet, weil es dem von ihnen als Basis genutzten, 1971 von Hippies auf einem ehemaligen Kasernengelände gegründeten "Freistaat Christiania" gegenüber liegt. Auf dem Schulhof zündeten sie zahllose Bücher an, die sie zuvor aus den Fenstern geworfen hatten. "Geschichtsbewusstsein haben diese Leute nicht. Sonst wüssten sie, dass Bücherverbrennungen immer gegen die Freiheit Andersdenkender gerichtet waren", meinte Rektor Jens Bencke in "Jyllands-Posten".
Das dürfte die Täter wenig scheren. Nach Meinung der Polizei und nach übereinstimmenden Medienberichten bestand der harte Kern der gewalttätigen Demonstranten keineswegs nur aus dänischen Autonomen. "Deutsche Krawall-Profis" seien auch unter heimischen Sympathisanten des "Ungdomshuset" mit einer Mischung aus Respekt und Furcht genannt worden, hieß es in Zeitungsberichten. Zur weiteren Eskalation habe geführt, dass allerlei andere Interessenten - von Fußball-Hooligans über gewaltbereite Jugend-Gangs bis hin zu Neonazis - ihre eigenen gewalttätigen Ziele verfolgt hätten.
Angesichts dieser Situation wurde wenig Kritik an der betont harten Linie der dänischen Polizei laut. Dass es keine Schwerverletzten gab, galt als Erfolg ihrer Strategie. Mit Beginn der Räumung des Jugendzentrums im Stadtteil Nrrebro nahmen die Ordnungshüter mit beispielloser Härte alle fest, die irgendwie auch nur im Entferntesten mit "Randale" in Verbindung gebracht werden konnten.
Als das die Ausweitung der Krawalle in der zweiten Nacht nicht verhindern konnte, richtete sich der Blick der Polizei vornehmlich nach Deutschland: Zugereiste Krawallmacher aus dem südlichen Nachbarland hätten von da an eine "ganz wesentliche Rolle" gespielt. Die am Sonntag veröffentlichte Zahl von insgesamt 25 festgenommenen Deutschen schien das nur begrenzt zu bestätigen. Aber die Stimmung gegenüber Ausländern generell ist in Dänemark seit einigen Jahren nicht mehr sehr freundlich. Auch Reichspolizeichef Torsten Hesselbjerg sah in den Krawallen einen nationalen Aspekt, als er seinen Appell "an alle guten Kräfte" mit dem Satz schloss: "Jetzt geht es darum, dass wir uns wie Dänen aufführen."
Von Thomas Borchert, dpa
Quelle: ntv.de