Dossier

Der Kompromiss Bürokratie statt Mindestlohn

Die Koalition hat sich wegen tief greifender Meinungsunterschiede über die Rolle des Staates in der Wirtschaft nur auf einen kleinen gemeinsamen Nenner zur Einführung von Mindestlöhnen verständigt. Zentrale Punkte:

Gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn: Er wird in dieser Legislaturperiode nicht eingeführt werden. Die Union ist grundsätzlich dagegen, weil aus ihrer Sicht die Lohnfindung in erster Linie Sache der Tarifvertragsparteien bleiben muss und nicht Aufgabe des Staates ist. Außerdem fürchtet sie die Vernichtung von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich. Die SPD wird die Forderung in den kommenden Wahlkämpfen weiter erheben, weil die gesetzlichen Mindestlöhne aus ihrer Sicht ein Ausdruck sozialer Gerechtigkeit sind.

Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes: Die Koalition hat sich aber darauf geeinigt, das Entsendegesetz für weitere Branchen zu öffnen. Das bedeutet: Nicht nur im Bauhandwerk und bei den Gebäudereinigern, sondern auch in anderen Branchen könnten künftig Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden - mit der Nebenwirkung, dass auch ausländische Firmen daran gebunden wären. Im Fokus unter anderem: Gastronomie, Einzelhandel, die Postdienste und das Friseurhandwerk.

Voraussetzungen: Wenn beide Tarifparteien die Aufnahme der Branchen in das Entsendegesetz vorschlagen, sagt die Koalition zu, die entsprechenden Mindestlöhne auch gesetzlich zu fixieren. Beantragt nur eine Seite - etwa die Gewerkschaften - die Allgemeinverbindlichkeitserklärung, so muss ein von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzter Tarifausschuss entscheiden. Kann sich der nicht einigen, ist die Bundesregierung gefragt. Auf Vorschlag des Bundesarbeitsministers muss das Kabinett über den Erlass einer Rechtsverordnung entscheiden. Wichtig: Egal über welchen Weg, die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags erfolgen soll - sie kann nur beantragt werden, wenn mehr als 50 Prozent Beschäftigten einer Branche ohnehin schon in den Genuss eines Tarifvertrags kommen.

Aktualisierung des Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen: Jedoch können sich immer weniger Arbeitnehmer auf Tarifverträge berufen. Grund: Viele Arbeitgeber sind aus ihren Verbänden ausgetreten. Zudem gibt es immer weniger gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer. Daher würde auch das Entsendegesetz keine Lösung bringen. Um in diesen Bereichen Hungerlöhne zu unterbinden, hat sich die Koalition auf eine Reaktivierung des Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen von 1952 verständigt. Es lässt eine Lohnfestsetzung durch Beschluss des Bundeskabinetts zu.

Zustimmung von Ausschüssen: Das Verfahren ist aber kompliziert. Schritt eins: Ein Sachverständigenrat (Hauptausschuss) muss zunächst feststellen, dass überhaupt in einer Branche die Festsetzung eines Mindestlohns notwendig ist. Wie dieser Ausschuss besetzt wird, muss noch im Einzelnen geklärt werden. Schritt zwei: Nachdem der Hauptausschuss über das Ob entscheiden hat, muss ein Fachausschuss von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Lohnhöhe entscheiden. Beide Gremien sollen einen neutralen Vorsitzenden haben. Das letzte Wort hätte aber das Bundeskabinett.

Quelle: ntv.de

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