Profiteur des Chaos Buhmann Thaksin
19.05.2010, 17:06 Uhr
		                      Straßenszene in Bangkok.
(Foto: REUTERS)
Erstmal ist Ruhe eingekehrt in Bangkok. Doch der Konflikt zwischen Rothemden und Regierung schwelt weiter - und einer zieht munter die Strippen: Der gestürzte Regierungschef.
Das Widerstandsnest der Oppositionellen in Bangkok ist nach wochenlangem Machtkampf mit Panzern zerstört, die Anführer der Rothemden sind in Haft, Benzinbomben-Werfer festgenommen. Doch Aufatmen kann noch niemand in der thailändischen Hauptstadt. Der Konflikt ist ungelöst, der Graben in der Gesellschaft tiefer denn je. Und einer, der aus dem sicheren Ausland seit Monaten viele Strippen zieht, zieht sie munter weiter: Thaksin Shinawatra, 2006 gestürzter Regierungschef Thailands und Mentor der Rothemden.
  Thaksin wurde 2006 gestürzt.
(Foto: dpa)
Für die Regierung ist der 60-jährige Milliardär der Inbegriff des Bösen. Er hat die Rothemden über Wochen angestachelt, dirigiert die Proteste aus dem Exil und lästert auf allen Kanälen gegen die aktuelle Führung. Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva ist überzeugt, dass Thaksin den friedlichen Kompromiss, der vergangene Woche schon zum Greifen nahe war, höchstpersönlich platzen ließ.
Die Rothemden verlangten plötzlich, dass Abhisits Vize Suthep Thaugsuban wegen eines blutigen Armee-Einsatzes im April strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. "Die Suthep-Bedingung war ein Thaksin-Manöver", glaubt auch der Politologe Thitinan Pongsudhirak. "Der Kompromiss war etwas, das er nicht wollte." Thaksin, so die Theorie, profitiere vom wachsendem Chaos. Dann könne er entweder selbst mit Rückendeckung seiner Rothemden als Retter einfliegen - oder eine ihm genehme Regierung installieren, die das Urteil wegen Amtsmissbrauchs gegen ihn aufheben und die Konfiszierung von einer Milliarde Euro seines Vermögens rückgängig machen soll.
Abhisit versucht deshalb, so viele von Thaksins Strippen wie möglich zu kappen. Seit dem Wochenende haben die Behörden Geld-Transaktionen von mehr als 100 Personen und Firmen unterbunden - etliche darunter sind mit Thaksin oder den Unternehmen seiner Familie verbandelt. Damit sollte sichergestellt werden, dass keine Gelder aus dem Thaksin-Lager mehr in den Rothemden-Widerstand fließen.
Angst vor Untergrund-Bewegung
Mit weniger erkennbarem Einsatz widmet sich die Politik dagegen dem Ziel, die Gräben, die sich in der Gesellschaft aufgetan haben, zu überwinden oder die Missstände zu untersuchen, die die Rothemden anprangern: Machtfülle in den Händen weniger einflussreicher Familien, Benachteiligung der armen Massen. "Die Rothemden akzeptieren das alte System nicht mehr", sagt Forscher Thitinan. "Wir könnten eine Widerstandsbewegung bekommen, die im Untergrund agiert."
  Ein Rothemd schießt eine Rakete ab.
(Foto: REUTERS)
Die Rothemden kämpfen nach eigenen Angaben für mehr Gerechtigkeit für die Armen. Doch gerade die sind Opfer der Krise. Die 45-jährige Dtoo Wongduang verkauft in ihrer Garküche im Khlong-Teuy-Bezirk Nudelsuppe und ernährt so eine Familie von zehn Köpfen. Heute stapelt sich Abfall in dem Viertel; es stinkt, weil die Müllabfuhr nicht mehr kommt. "Wie soll man hier irgendetwas verkaufen?" seufzt sie. Dtoo hatte Todesangst vor Querschlägern. Und dazu weitere Sorgen: Das Viertel steht hinter den Rothemden, sie aber nicht. "Wir kennen uns alle, aber es gibt in letzter Zeit immer öfter Streit."
Pornthip Yawichian kam aus dem Süden Thailands in die Hauptstadt, um als Näherin zu arbeiten. Die Aufträge bleiben aber aus, und die 26-Jährige bekommt nur noch ein Viertel ihres Lohns. Davon kann sie nichts nach Hause schicken. "Ich werde gehen müssen, aber zu Hause gibt es auch keine Arbeit", sagt sie und weint.
Dao Wenimijai hat ihre zwei kleinen Kinder nach dem Tod des Mannes bei den Großeltern gelassen und verdient in Bangkok mit Fußreflexzonen-Massage ihr Geld. Die 34-Jährige arbeitet in einem Salon, der besonders ausländische Besucher bedient. Sie lebt billig in einer fensterlosen Baracke, um alles Geld nach Hause schicken zu können. 800 Baht schaffte sie an einem guten Tag, rund 20 Euro. Seit die Touristen ausbleiben, bekommt sie an guten Tagen weniger als die Hälfte. Und nachdem der öffentliche Verkehr eingestellt wurde, muss sie mit dem Taxi fahren. Das kostet oft mehr als sie verdient. "Mir sind die Regierungen egal", sagt sie. "Wir wollen arbeiten, um zu überleben. Wie sollen wir leben, wenn wir nicht arbeiten können?"
Quelle: ntv.de, Peter Janssen und Thomas Long, dpa