"Genschers Balkon" Bund will Prager Botschaft kaufen
17.08.2009, 13:08 UhrDie deutsche Botschaft in Prag zählt ohne Zweifel zu den wichtigsten Schauplätzen des deutschen Wendejahres. Hier hatten 1989 etwa 4000 DDR-Flüchtlinge Zuflucht gesucht. Die Bundesregierung will das Gebäude jetzt erwerben.

Der damalige Bundesaußenminister Genscher (rechts) neben Kanzleramtsminister Rudolf Seiters vor der Bonner Vertretung in Prag die Journalisten (Archivfoto vom 30. September 1989).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die deutsche Botschaft in Prag ist einer der Orte, an denen tatsächlich Geschichte geschrieben wurde. Genau 20 Jahre ist es her, dass es im August 1989 auf dem Gelände des Palais Lobkowicz langsam zu voll wurde. Am Ende hatten hier etwa 4000 DDR-Bürger Zuflucht gefunden. Bis schließlich der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher auf den halbrunden Balkon der Botschaft trat und den vielleicht berühmtesten unbeendeten Satz der deutschen Politik sprach: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise ..." Der Rest ging im Jubel unter.
Damit gehört das Botschaftsgebäude auf der Prager Kleinseite ohne Zweifel zu den wichtigsten Schauplätzen des deutschen Wendejahres 1989. Nur: Deutsch ist es eigentlich nicht. Der frisch ernannte Botschafter Johannes Haindl ist dort wie all seine Vorgänger seit 1974 nur zur Miete. Das soll sich ändern: Auf dem ungewöhnlichen Weg eines Immobilientauschs mit Tschechien will die Bundesregierung im Palais Lobkowicz - benannt nach einer böhmischen Adelsfamilie, die hier von 1753 bis 1927 ihren Stammsitz hatte - Eigentümer werden.
Symbolische Bedeutung

Die Regierung der DDR stimmte am 30. September 1989 der Ausreise der Flüchtlinge, die in den bundesdeutschen Botschaften in Prag und Warschau Zuflucht gesucht hatten, zu.
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Das Interesse der deutschen Seite an dem Geschäft ist klar. "Das Gebäude hat für uns eine hohe symbolische Bedeutung. Es gehört zur deutschen Geschichte", heißt es im Auswärtigen Amt. Außerdem ist, langfristig gedacht, der Erwerb für die deutsche Staatskasse gewiss günstiger als ewige Mietzahlungen. Bislang erinnern auf dem exterritorialen Botschaftsgelände eine Plakette auf dem "Genscher-Balkon" und eine Trabi-Skulptur an die damaligen Ereignisse.
Allein: Auch der tschechische Staat als derzeitiger Eigentümer musste bislang noch überzeugt werden. Anfangs war man dort nicht sehr willig. Die ersten Kaufverhandlungen Mitte der 90er Jahre blieben ohne Erfolg. Jetzt hat sich die Lage geändert. Den Deutschen kommt zugute, dass Tschechiens Botschaft in Berlin immer dringender saniert werden muss. Das Gebäude wurde zwar erst Ende der 70er Jahre erbaut. Aber man sieht ihm an, dass es aus einer ganz anderen Zeit stammt.
Der monumentale Klotz aus Beton und braunem Glas - erbaut im Stil des "Brutalismus" - wird heute nur noch von Architekten geschätzt. Für die meisten Berliner ist der bedrohlich wirkende Bau eine schlimme Bausünde. Außerdem steht er zu großen Teilen leer: Zu Zeiten des Kalten Krieges hatte die CSSR hier 250 Mitarbeiter untergebracht, und nicht alle davon waren Diplomaten. Heute sind es noch 28. Auch vielen von ihnen gefällt ihre Arbeitsstätte nicht.
Tauschhandel

Zeit der Trennung: Eine Mutter verabschiedet mit einem Abschiedkuss durch den Zaun der bundesdeutschen Botschaft in Prag.
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Deshalb bietet die Bundesregierung nun an, dass der EU-Partner mitten in Berlin ein anderes Gebäude aus Bundesbesitz bekommen kann, das derzeit nicht genutzt wird: die ehemalige US-Botschaft in einer Querstraße des Boulevards Unter den Linden. Seit dem Umzug der Amerikaner in die neue Botschaft am Brandenburger Tor steht der repräsentative Bau leer. Nun haben sich beide Seiten auf einen international tätigen Gutachter verständigt, der die Immobilien bewerten soll. Es geht um einige Millionen Euro.
Wie lange es dann noch gehen wird, bis der Tausch perfekt ist, weiß niemand genau. "Wir sind erst am Anfang. Das ist keine Sache, die in einem Jahr über die Bühne gehen wird", sagt der Sprecher der tschechischen Botschaft, Michal Buchacek. Ungeklärt ist auch noch, was dann mit der jetzigen tschechischen Botschaft geschehen würde. Der Gewerbe-Immobilienmarkt in Berlin ist nicht gerade im Boom.
Trotzdem ist man im Auswärtigen Amt guter Hoffnung, dass das Geschäft zustande kommen wird. Bestimmt nicht bis zum 20-jährigen Jubiläum der Genscher-Worte, zu dem die deutsche Botschaft für Ende September alle ehemaligen Botschaftsflüchtlinge zu einem Fest in den Garten eingeladen hat. Aber die Chancen, dass man sich bis zum 25. Jahrestag im Jahr 2014 einig geworden ist, stehen gut.
Quelle: ntv.de, Christoph Sator, dpa