Hakenkreuz im Müll Bundesanwälte für Freispruch
08.03.2007, 18:13 Uhr"Schildbürgerstreich" war noch die mildeste Form der Kritik, die sich das Landgericht Stuttgart anhören musste. Das "Antifaschistische Aktionsbündnis Baden-Württemberg" sah darin gar einen neuen Beleg für staatliche Repression. Kein Wunder: Die Stuttgarter Richter hatten einen Paragrafen, der die Wiederbelebung der Nazi-Ideologie eindämmen soll, ausgerechnet auf einen Versandhändler aus der Punk-Szene angewendet. Der hatte massenhaft Artikel mit derselben Zielrichtung im Sortiment - der Bekämpfung von Neonazis und Rechtsextremisten.
Seit Donnerstag dürfte die konsternierte Antifa-Szene ihren Glauben an den Rechtsstaat wiedergefunden haben: Sogar die Bundesanwaltschaft, einstmals Feindbild aller Linken, beantragte den Freispruch des Angeklagten. Und vieles deutet darauf hin, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) bei der Urteilsverkündung nächste Woche den Karlsruher Anklägern anschließt.
Das Stuttgarter Verfahren endete im September 2006 mit einer Geldstrafe von 3.600 Euro für den 32-jährigen Jürgen Kamm aus dem baden-württembergischen Winnenden. In großer Zahl hatte Kamm Aufkleber, T-Shirts und andere Artikel mit Aufdrucken verkauft, deren plakative Aussagen wenig Raum für Zweifel ließen: Durchgestrichene, zertretene, in den Müll geworfene Hakenkreuze, garniert mit Sätzen wie "Kein 4. Reich". So etwas gab es schon in der Weimarer Republik, als kritische Sozialdemokraten und Gewerkschaftler das Hakenkreuz der aufkommenden Nationalsozialisten karikierten. Wofür sie nach Hitlers Machtergreifung mit harten Strafen rechnen mussten.
Es waren vor allem die Stuttgarter Staatsanwälte, die sich nach Kräften mühten, Anti-Nazi-Symbole aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Beim zunächst widerstrebenden Landgericht erstritten sie gegen Kamm ein Urteil wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Es gehe den Anklägern, sagte Verteidiger Thomas Fischer, offenbar um das Ansehen Deutschlands - also etwa um die japanischen Touristen, die zu Hause empört von all den Nazi-Abzeichen berichten könnten. Plausibler, so Fischer, sei aber doch folgendes Szenario: Die Japaner erzählen daheim, dass in Deutschland Menschen bestraft werden, die Hakenkreuze durchstreichen.
Allerdings zeigte Walter Winkler, Vorsitzender des 3. BGH-Strafsenats, keinen Zweifel an der redlichen Gesinnung von Landgericht und Staatsanwaltschaft. Sie seien offensichtlich von der Sorge getrieben, dass - wenn man die Tür nur einen Spalt offen lasse - sofort die "braune Flut" nachdränge.
Und die Verhandlung zeigte, dass die Sorge so ganz unberechtigt nicht ist. Zwar waren sich Verteidiger Fischer und Bundesanwalt Gerhard Altvater einig, dass jene Anti-Nazi-Symbole aus Kamms "Nix-Gut"-Versand, deren Aussage klar und eindeutig sei, nicht vom Strafgesetzbuch erfasst werden könnten. "So etwas sollte in einem demokratischen Rechtsstaat nicht bestraft werden", sagte Altvater.
Andererseits war beispielsweise ein aus Kamms Sortiment stammendes Emblem mit einem Umweltmännchen, das nach dem Vorbild von Schildern im Stadtpark ("Halte deine Umwelt sauber") ein Hakenkreuz in den Papierkorb wirft, von der rechtsextremen Szene dankbar aufgegriffen worden. "Ihr stimmt uns heiter. Der Nationale Widerstand marschiert geschlossen weiter", dichteten die braunen Verseschmiede dazu. Und das CD-Cover einer Punk-Band mit Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag war erst auf den dritten Blick als Nazi-Kritik zu erkennen.
So wird der BGH in seinem Urteil eine juristische Feinabstimmung vornehmen müssen, die einem Missbrauch durch die durchaus fantasiebegabte rechtsextreme Szene nicht Vorschub leistet. Dass die Richter aber die Kriminalisierung von Anti-Nazi-Symbolen stoppen werden, dürfte schon aus einem Grund unausweichlich sein: Sonst wären nämlich Parteiabzeichen der NSDAP stärker gegen eine Verunglimpfung geschützt als die Embleme von CDU oder SPD.
(Wolfgang Janisch, dpa)
Quelle: ntv.de