Sicherheit oder Datenschutz "Bundestrojaner" unerwünscht
05.02.2007, 17:21 UhrAls neulich bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) an der Entwicklung des neuen Betriebssystems Vista des Software-Giganten Microsoft mitgearbeitet hat, ging ein kurzer Aufschrei durch die Öffentlichkeit. Dahinter stand die Befürchtung, ein unbescholtener Computernutzer könnte künftig online direkt mit dem Geheimdienst verbunden sein, der dann unbemerkt die Festplatte durchstöbert. Nach deutschem Recht wäre dies eindeutig rechtswidrig.
Für einen Strafverfolger indes könnte es höchst nützlich sein, den Computer eines Verdächtigen heimlich zu durchsuchen, so wie er Wohnungen Krimineller überwacht oder deren Telefone abhört. Mit einer Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Montag dem heimlichen Ausspähen vorerst einen Riegel vorgeschoben. "Die "verdeckte Online-Durchsuchung" ist mangels einer Ermächtigungsgrundlage unzulässig", heißt es in dem Beschluss.
Mit der Entscheidung bremsten die Bundesrichter den wegen Terrorismusverdachts ermittelnden Generalbundesanwalt. Auf dem Computer des Verdächtigen sollte ein entsprechendes Programm (Trojaner) installiert werden, um so heimlich die dort gespeicherten Dateien zu kopieren. Die Anordnung einer verdeckten Durchsuchung findet nach Feststellung des BGH in der Strafprozessordnung keine Grundlage. Eine Online-Durchsuchung sei keine Hausdurchsuchung und auch nicht mit der an hohe Anforderungen geknüpften Telefon- oder Wohnraumüberwachung vergleichbar. Praxis ist das neue Verfahren noch nicht. Außer dem Generalbundesanwalt hatte bislang nur das Landgericht Bonn zwei Online-Durchsuchungen angeordnet, wobei nicht klar ist, ob sie auch durchgeführt wurden.
Die Entscheidung des BGH wirft - auch wenn dies in der Begründung keine besondere Rolle spielt - die alte Frontstellung wieder auf: Sicherheit gegen Datenschutz und Bürgerrechte. Seit den Anschlägen des 11. September 2001 wird diese Frage immer wieder neu diskutiert. Zuletzt flammte der Streit auf bei der geplanten vorsorglichen Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten, auf die bei Bedarf Strafverfolger zugreifen können sollen.
Während der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar seit dem 11. September angesichts immer neuer Sicherheitsgesetze den Datenschutz im Rückwärtsgang sieht, hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wenig Verständnis für die Ängste. Im Gegenteil: Nur wenn der Staat dem Bürger Sicherheit vor Kriminellen und Terroristen gewähre, könne er auch dessen Rechte schützen. Auf neue Herausforderungen müsse der Staat angemessen reagieren. "Daran kann niemand vorbei."
Die Reaktionen auf die BGH-Entscheidung waren vorhersehbar. Die Polizei verlangt nach dem neuen Instrument. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter warnt sogar vor einem "Freifahrschein für Kriminelle", sollte es bei dem Verbot bleiben. Schäuble, unterstützt von seinem bayerischen Amtskollegen Günther Beckstein (CSU), hält aus ermittlungstechnischen Gründen eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung für unerlässlich. Die Strafprozessordnung müsse "zeitnah" angepasst werden. Das dafür zuständige Bundesjustizministerium hielt sich mit einer Bewertung zunächst auffallend zurück. Erst müsse man die Entscheidung auswerten und mit den Strafverfolgern erörtern, ob dafür ein Bedarf bestehe.
Oppositionspolitiker von FDP, Linkspartei und Grünen sahen das ganz anders als die regierenden Sicherheitspolitiker und begrüßten die BGH-Entscheidung. "Es gibt kein Bedürfnis für einen Bundestrojaner", so die grünen Rechtspolitiker Jerzy Montag und Wolfgang Wieland. Die Bundesrechtsanwaltskammer warnt vor einem "gläsernen Bürger" und vor raschen Gesetzesänderungen.
Datenschützer Schaar stellt die Frage, wie sich denn der Staat künftig verhalten solle. Jetzt warne beispielsweise das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für die Sicherheit in der Datentechnik vor Sicherheitslücken. "Sollen etwa in Zukunft derartige Warnungen unterbleiben, weil staatlichen Stellen ansonsten das Eindringen in Computer über das Internet erschwert würde? Oder sollen die Hersteller zukünftig "Hintertüren" in ihre Software einbauen, die Online-Durchsuchungen ermöglichen?"
Von Norbert Klaschka, dpa
Quelle: ntv.de