"Erziehung" Nordkoreas China steht in der Pflicht
30.11.2010, 17:08 UhrNordkorea sei ein "verzogenes Kind", kabeln US-Diplomaten entsprechende Klagen chinesischer Spitzenpolitiker nach Washington. China geht die starre Politik der Pjöngjanger Führungsclique auf die Nerven. Allerdings ist Peking selbst schuld daran.
Die Chinesen sind, was Nordkorea angeht, angeblich mit ihrer Geduld am Ende. Die kommunistischen Machthaber in Peking sähen in ihren widerborstigen Verbündeten ein "verzogenes Kind", heißt es in Depeschen amerikanischer Diplomaten, die durch Wikileaks veröffentlicht wurden. In einigen Dokumenten wird sogar vermeldet, dass China Nordkorea zugunsten eines wiedervereinigten Koreas aufgeben könnte.
Das sind an sich keine großen Neuigkeiten, obwohl die Veröffentlichung derzeit für Aufsehen sorgt. Denn Peking hat bereits mehrere Male die starre Politik des stalinistischen Regimes in Pjöngjang zumindest "durch die Blume" kritisiert. Das Herumzündeln der Nordkoreaner in dieser ohnehin instabilen Region ist den ökonomisch aufstrebenden Chinesen bereits seit Jahren ein Dorn im Auge.
Richtig ist: Nordkorea ist ein verzogenes Kind und unter Machthaber Kim Jong-Il auch ein sehr schwer erziehbares. Aber aus pädagogischer Sicht missratene Kinder haben auch Eltern, die in dieser Frage auf ganzer Linie versagt haben. In diesem Fall sind es die Sowjetunion und China. Nur durch Intervention beider Staaten hat die Demokratische Volksrepublik Korea überleben können. Chinesische Truppen waren maßgeblich daran beteiligt, dem ungezogenen Kind aus der Patsche zu helfen, als die USA und Südkorea Kim Il-Sungs Truppen während des von 1950 bis 1953 dauernden Koreakriegs weit nach Norden abgedrängt hatten und kurz vor dem Sieg standen.
Zu große Nachsicht
Mutter und Vater ließen den Zögling danach aus machtpolitischem Kalkül gewähren. Peking und Moskau tolerierten in den 1950er Jahren sogar Säuberungsaktionen des "großen und geliebten Führers" gegen prosowjetische und prochinesische Anhänger in der Partei der Arbeit Koreas.
Nach der Scheidung beider Eltern Ende der 1950er Jahre - China und die UdSSR pflegten eine jahrzehntelange Feindschaft - entglitt ihnen der Zögling dann vollständig. Kim Il-Sung verfolgte mittels der "Juche"-Ideologie (Selbstständigkeit) einen eigenen Weg und isolierte damit sein Land.
Als Ende 1991 der Vater (UdSSR) starb, war die Mutter (China) mit dem ungezogenen Kind alleine. Aber sie hatte es schon lange nicht mehr im Griff. Nach dem Tod Kim Il-Sungs 1994 wurde Nordkorea unter dessen Sohn Kim Jong-Il noch unberechenbarer. Aber Mutti war nachsichtig – viel zu sehr, wie sich jetzt herausstellt. Das Kind begann, mit gefährlichen Waffen herumzuhantieren. Da man ein Land nicht ins Heim schicken kann, suchte man sich die Hilfe anderer Mächte, um den Missratenen zu disziplinieren, ohne ihn gänzlich fallen zu lassen. So entstand die Sechs-Parteien-Gesprächsrunde mit Nordkorea, Südkorea, den USA, China, Japan und dem UdSSR-Rechtsnachfolger Russland.
Mehr Verantwortung übernehmen
Das ändert allerdings nichts daran, dass Peking noch stärker auf Nordkorea einwirken kann. Der ökonomische Riese Peking muss dabei allerdings mehr politische Verantwortung übernehmen. Präsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao sind die einzigen ausländischen Politiker, mit denen Kim Jong-Il Kontakt pflegt. Klare Worte von ihnen sind nötig, sonst könnte China bald selbst Probleme bekommen.
An einer weiteren Destabilisierung der Lage in Korea kann die Volksrepublik nämlich nicht interessiert sein. Bei einem schnellen Zusammenbruch Nordkoreas würde das Reich der Mitte mit einem starken Flüchtlingsstrom konfrontiert. Zudem würde die von Peking angestrebte noch engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Südkorea darunter leiden. Seoul seinerseits kann eine zu schnellen Vereinigung mit dem ökonomisch maroden Norden alleine gar nicht stemmen.
So wird es endlich Zeit, dass China endlich seine Abwartehaltung aufgibt und das Feld nicht allein den USA überlässt. Der Schlüssel zur Lösung der Korea-Krise liegt in Peking.
Quelle: ntv.de