Der Fall Kurnaz Chronik wichtiger Daten
26.01.2007, 21:40 UhrGeheime Vermerke, vertrauliche Berichte, öffentliche Äußerungen: Der Fall des Bremer Türken Murat Kurnaz, der mehr als vier Jahre Gefangener im US-Lager Guantanamo war, wird immer komplizierter. Es folgt eine Chronik wichtiger Daten. Quellen sind der vertrauliche Regierungsbericht vom Februar und Angaben aus Kreisen des BND-Untersuchungsausschusses.
03. Okt 2001: Wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September fliegt der damals 19-jährige Kurnaz von Frankfurt nach Karatschi in Pakistan. Zeugen geben an, Kurnaz wolle vermutlich zum Kampf gegen die Amerikaner nach Afghanistan reisen. Ein Ermittlungsverfahren ergibt hierfür später keine Bestätigung.
09. Jan 2002: Der Bundesnachrichtendienst (BND) teilt dem Bundeskanzleramt mit, dass Kurnaz im südafghanischen Kandahar festgehalten wird. Die Bundesregierung erfährt zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben erstmals von dem Fall.
29. Jan 2002: Die so genannte Präsidentenrunde im Kanzleramt berät über das Angebot, eine Vernehmungsdelegation nach Guantanamo zu entsenden. Nach einem internen Vermerk des Kanzleramts fällt darüber zunächst keine Entscheidung. Es ergeht die Empfehlung, den Fall Kurnaz bei der USA-Reise des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder nicht anzusprechen.
08. Feb 2002: Die deutsche Botschaft in Washington bittet US-Behörden um Auskunft zu Kurnaz.
09. Jul 2002: Die Präsidentenrunde im Kanzleramt stimmt der Befragung von Kurnaz in Guantanamo durch deutsche Beamte zu.
23./24. Sep 2002: Zwei Mitarbeiter des BND und einer des Verfassungsschutzes befragen Kurnaz. Einer der BND-Mitarbeiter hält ihn danach für ungefährlich. Der Verfassungsschützer indes spricht von letzten Zweifeln, die ausgeräumt werden müssten. Bei der Befragung ist ein CIA-Verbindungsbeamter aus Berlin dabei. Unter den Geheimdienstlern gibt es zumindest Planspiele, Kurnaz als Spitzel gegen die Islamistenszene einzusetzen. Später wird dies verworfen, weil er keine Kontakte zu Mudschahedin habe.
08. Okt 2002: Im Kanzleramt geht ein Bericht des BND zu der Befragung in Guantanamo ein. Danach bestehen nach Auskunft eines CIA-Mitarbeiters "gute Chancen", dass Kurnaz zusammen mit weiteren Gefangenen bereits im November freikommen könnte.
22. Okt 2002: Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gibt Pläne zur Freilassung von Guantanamo-Gefangenen bekannt. Es gehe um Häftlinge, die aus nachrichtendienstlichen Gesichtspunkten nicht länger interessant seien, erklärt er.
29. Okt 2002: Bei der Präsidentenrunde im Kanzleramt wird über eine "Nachfrage der USA" beraten, ob Kurnaz nach Deutschland oder in die Türkei abgeschoben werden solle. Der BND plädiert für eine Abschiebung in die Türkei und eine Einreisesperre für Deutschland. Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau und das Innenministerium teilen die Auffassung. Laut Terminkalender nahm auch Steinmeier an dem Treffen teil.
07. Nov 2002: Die CIA schreibt an den Verfassungsschutz über Bestrebungen der USA, bestimmte Gefangene aus Guantanamo zu entlassen. Unter der Kontrolle des US-Militärs werde dies vom Pentagon, anderen Regierungsbehörden und der CIA geprüft. Obwohl keine Deutschen in Guantanamo einsäßen, gehe die Information als Hintergrund auch an Deutschland. Die betroffenen Staaten würden benachrichtigt.
08. Nov 2002: Antwort des Verfassungsschutzes an die CIA: Im Falle der Freilassung von Kurnaz bestehe der ausdrückliche Wunsch, dass er nicht nach Deutschland zurückkehre. Außerdem bitten die deutschen Behörden um die Herausgabe von seinem Pass, um die Aufenthaltsgenehmigung tilgen zu können.
09. Nov 2002: In einem internen BND-Vermerk heißt es, bei der CIA stoße die Entscheidung der Bundesregierung auf Unverständnis, wonach Kurnaz nicht nach Deutschland abgeschoben werden solle. Die "Freilassung sei wegen seiner nicht feststellbaren Schuld sowie als Zeichen der guten Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden geplant gewesen". Die US-Seite vermute, die Bundesregierung wolle mit der Entscheidung ihre Härte im Kampf gegen den Terrorismus demonstrieren.
13. Feb 2003: Die US-Bundespolizei FBI teilt dem BKA mit, dass es nicht geplant sei, Kurnaz freizulassen.
24. Feb 2003: Mitteilung der CIA an den Verfassungsschutz, wonach die Haft-Evaluierung für Kurnaz nach einer weiteren Vernehmung negativ ausgegangen sei. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werde seiner Verlegung nicht zugestimmt.
26. Okt 2005: Deutsche Sicherheitsbehörden haben nach einem Vermerk des Auswärtigen Amtes in den USA angefragt, ob dort etwas Belastendes gegen ihn vorliege. Innenministerium und Verfassungsschutz hofften nun auf entsprechende Informationen. Wenn ein gerichtsverwertbarer Verdacht vorliege, solle Kurnaz die Einreise verweigert werden.
17. Jan 2006: Die Präsidentenrunde im Bundeskanzleramt entscheidet, dass eine mögliche Einreise von Kurnaz akzeptiert werden soll.
24. Aug 2006: Kurnaz wird frei gelassen und zum US-Luftwaffenstützpunkt im pfälzischen Ramstein ausgeflogen.
Quelle: ntv.de