Ex-Präsident an der Leine Comeback der Clintons
01.12.2008, 18:32 UhrNur wenige Familien haben den Aufstieg in den erlesenen Kreis der politischen Dynastien in den USA geschafft. Die Kennedys zählen dazu, die Bushs ebenfalls, und spätestens jetzt auch die Clintons. Der Traum von der Präsidentschaft blieb Hillary Clinton zwar versagt, doch als künftige Außenministerin wird sie ab Januar die Weltmacht USA im Ausland vertreten. Mit Hillary Clintons Nominierung hat der designierte Präsident Barack Obama einen mutigen Schritt getan: Die machtbewusste einstige Rivalin muss erst noch unter Beweis stellen, dass sie sich dem neuen Präsidenten unterordnet. Und dann ist da noch der "Bill-Faktor" - die Frage also, welche Rolle der frühere Präsident Bill Clinton spielen wird.
Die Clintons stehen auf der Washingtoner Bühne für politischen Star-Glanz, aber auch für die Erinnerung an zahlreiche Affären und Skandälchen während Bills Amtszeit. Für Obama überwog letztlich aber die Möglichkeit, in Clinton eine weltweit bekannte und angesehene Botschafterin für seine Regierung zu rekrutieren. "Sie ist eine Amerikanerin von enormer Statur", sagte er am Montag bei einem gemeinsamen Auftritt. "Sie kennt viele der Führer der Welt und genießt Respekt in jeder Hauptstadt."
Vergebene Kämpfe
Die Rivalität der Vergangenheit erwähnte Obama nur am Rande. Er habe Clinton als "harte Wahlkampfgegnerin kennengelernt", sagte er - um dann umgehend Clintons legendäre Zähigkeit als Eignungsnachweis für das neue Amt zu werten: Ihre "außerordentliche Intelligenz und Härte" werde "die Interessen Amerikas in der Welt voranbringen". Noch vor wenigen Monaten hatte Clinton ihren Rivalen in den Vorwahlen als außenpolitisch "naiv" kritisiert, die innerparteiliche Rivalität der beiden um die Präsidentschaftskandidatur hatte auch Züge persönlicher Abneigung erkennen lassen.
Beobachter wie der Politikprofessor Andrew Bacevich von der Boston University sehen die Personalie als Beleg für Obamas Stärke: "Obama hat genug Zutrauen in seine eigenen Fähigkeiten, dass er seine einstige Rivalin nicht im Kabinett fürchtet", sagt er. Politisch signalisiere Clintons Berufung eine Kurskorrektur, aber keine radikale Wende. "Der Wandel wird nicht dramatisch ausfallen", interpretiert der Professor Obamas Botschaft.
Für diese Einschätzung sprechen auch andere Personalien, die Obama am Montag bekannt gab: Der republikanische Verteidigungsminister Robert Gates soll im Amt bleiben, der frühere NATO-Oberkommandierende James Jones wird Nationaler Sicherheitsberater. Obamas neues Team steht für eine Politik der harten Interessenwahrung in der Außen- und Verteidigungspolitik, es widerlegt den Verdacht der Konservativen, Obama sei ein außenpolitischer Weichling.
Wochenlange Verhandlungen
Obamas schwierigste Entscheidung dürfte jene zugunsten von Clinton gewesen sein. Der Personalie waren wochenlange Verhandlungen zwischen Mitarbeitern Obamas und der Clintons vorangegangen. Denn Bill Clinton war in den vergangenen Jahren im Auftrag seiner einflussreichen wohltätigen Stiftung weltweit aktiv, nahm Millionen für Redeauftritte ein und etablierte sich als eine Art freischaffender Weltstaatsmann im Kampf gegen Armut, Aids und Unterentwicklung.
Dies barg die Gefahr von Interessenkonflikten. Dem Karrieresprung seiner Frau zuliebe musste Bill Clinton einige Zugeständnisse machen. Obamas Regierung legt ihn an die Leine: Um den Verdacht zu entkräften, dass ausländische Regierungen über ihn Einfluss auf die US-Außenpolitik zu nehmen versuchen, muss Bill Clinton seine Aktivitäten einschränken, seine künftigen Redeauftritte etwa muss er dem Außenministerium zur Billigung vorlegen.
Skeptische Beobachter in Washington sehen Bill Clinton freilich weiter als potenziellen Störfaktor. "Ausländische Staatsführer würden Bill Clinton unvermeidlich als alternativen Weg sehen, amerikanische Politik zu beeinflussen", urteilt etwa der renommierte Kommentator David S. Broder von der "Washington Post". "Und es ist einfach unwahrscheinlich, dass er stillhält."
Peter Wütherich, AFP
Quelle: ntv.de