Dossier

Vom Kosovo in den Kaukasus Das Spiel des Kreml

In den Berichten zur Zukunft des Kosovos findet sich in diesen Tagen immer ein großes Fragezeichen: Was wird Russland als selbst ernannte Schutzmacht Serbiens im Falle einer Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner unternehmen? Bis zuletzt hat sich der Kreml einer Lösung ohne Zustimmung Belgrads widersetzt. Russland findet aber zugleich Gefallen an der Option, die Unabhängigkeit des Kosovos als "Vorbild" für abtrünnige Regionen in Nachbarländern auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu sehen. Allerdings ist das Thema Kosovo in Moskau in diesen Tagen zweitrangig: Der innenpolitische Machtkampf um die Nachfolge von Präsident Wladimir Putin in den vergangenen Wochen und die überraschende Ernennung von Vizeregierungschef Dmitri Medwedew als Kandidat des Kremls am Montag stellt alles andere in den Schatten.

Gebetsmühlenartig hat Russland in den vergangenen Wochen wiederholt, dass die Verhandlungsmöglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft seien. Der Plan des Sonderbeauftragten Martti Ahtisaari scheiterte am Widerstand Moskaus. Auch nachdem am Montag das Mandat der internationalen Kosovo-Troika - USA, EU, Russland - auslief, will Moskau weiter über die Zukunft der südserbischen Provinz verhandeln.

Auf Reagieren beschränken

Wie bei der Energiepolitik setzt Moskau auf einzelne EU-Staaten. In der Kosovo-Frage wird vor allem Zypern wegen seiner Ablehnung einer Unabhängigkeit als Verbündeter betrachtet. Eine Anerkennung als eigener Staat werde schwerwiegende Konsequenzen haben, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Montag in Nikosia. Russland beharrt auf seiner Position. Es läuft darauf hinaus, dass der Kreml sich in der Kosovo-Frage aufs Reagieren beschränken wird.

Die Fronten sind verhärtet. Noch am Wochenende hatte Lawrow die amerikanische Unterstützung für die Unabhängigkeit der serbischen Provinz als "größtes Hindernis" für eine Einigung bezeichnet. Der Westen hält dagegen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagt mittlerweile offen, dass Russlands fehlende Kompromissbereitschaft der Grund für das Scheitern der Kosovo-Verhandlungen gewesen sei.

Russland erwartet von der Unabhängigkeit des Kosovos einen Domino-Effekt für andere abtrünnige Regionen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Einen solchen Prozess können die Russen auch vor der eigenen Haustür mit in Gang setzen. Der Vorsitzende der Kremlpartei Geeintes Russland, Boris Gryslow, kündigte an, dass Russland bei Bedarf die von Georgien abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien anerkennen werde, denen dann das gleiche Recht wie den Kosovo-Albanern zustehe. Die prowestliche Führung in Tiflis konterte direkt und drohte, ein solcher Schritt Moskaus werde zum Krieg in der Kaukasusrepublik führen.

Serbien hofft auf russische Unterstützung

Russland könnte sich mit einer Anerkennung der Südosseten und Abchasen durchaus Zeit lassen. Zunächst würde es reichen, jenseits der Grenze eigene Handelsvertretungen zu eröffnen, die faktisch einer Botschaft gleichkämen. Die große Mehrzahl der Menschen in Südossetien und Abchasien haben längst einen russischen Pass erhalten. Auch die von Moldawien abtrünnige Region Transnistrien bringt Moskau mit der Kosovo-Frage in Verbindung.

Die serbische Führung hofft, dass ihr Russland dieses Mal zur Seite steht und nicht wie bei den NATO-Bombardements 1999 nur zuschaut. Allerdings gibt es in der russischen Öffentlichkeit keine Hinweise darauf, dass der Kreml an einer Eskalation der Lage im Kosovo ein Interesse haben könnte. So wird die durch eine UN- Resolution gedeckte Anwesenheit der NATO-Truppen bislang nicht kritisiert. Auch Forderungen nach einem sofortigen NATO-Abzug für den zu erwartenden Fall einer Unabhängigkeitserklärung durch die Führung in Pristina blieben in Russland bislang aus.

Von Stefan Voß, dpa

Quelle: ntv.de

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