"Ein absolutes Rätsel" Der Abgesang des FCB
22.04.2007, 12:33 UhrDie Kommentare von Trainer Ottmar Hitzfeld und Kapitän Oliver Kahn steckten voller Resignation und Ratlosigkeit, Manager Uli Hoeneß stapfte mit zusammengekniffenem Mund wortlos davon und Franz Beckenbauer verteilte aus der Ferne verbale Backpfeifen. Nach dem blamablen 0:2 (0:2) beim VfB Stuttgart im "Endspiel" um einen Champions-League-Platz herrscht beim FC Bayern München Beerdigungsstimmung. Angesichts von fünf Punkten Rückstand auf den Tabellendritten der Fußball-Bundesliga steht nun der Neuaufbau im Mittelpunkt der Diskussionen. "Nach diesem Auftritt habe ich keine Lust mehr auf Durchhalteparolen", sagte selbst Kahn.
Die Partie vor 55.000 Zuschauern im ausverkauften Gottfried-Daimler-Stadion war der Abgesang auf eine Mannschaft, die längst an Größe verloren hat und dringend ein neues Gesicht benötigt. Zehn Tage nach dem Aus in der Champions League gegen den AC Mailand schien jeglicher Kampfgeist bei den Münchnern erloschen. Und nach zehn Jahren in der Champions League müssen sich die Bayern nun wohl mit der UEFA-Cup-Teilnahme begnügen. "Es ist kein Geheimnis, dass es einen Schnitt geben wird", meinte Hitzfeld und räumte ein: Es fehle eine "gewisse Qualität in der Mannschaft".
Erneuerung unumgänglich
Der Umbruch wird auch für den Rückkehrer auf der Trainerbank eine ganz besondere Herausforderung. Beckenbauer hat Hitzfeld jedoch das Vertrauen ausgesprochen. "Ich traue dem Ottmar zu, mit dem FC Bayern diese Erneuerung hinzubekommen. Er hat die Kraft, das über einen längeren Zeitraum umzusetzen", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende in einem Interview mit der "Welt am Sonntag".
Für die Kritiker zeigte Beckenbauer sogar Verständnis: "Ich freue mich darüber, dass sie uns jetzt ein bisschen in die Pfanne hauen. Das ist eine Chance. Da kannst du dich als Verein erneuern und sagen: So, jetzt packen wir es wieder." In den vergangenen Jahren sei alles so dahingeplätschert beim Rekordmeister, es fehle die "Beißermentalität".
Beckenbauer forderte auch einen Spielertypen, der eine Partie lenken kann. Die Mittelfeld-Stars Mark van Bommel, Hasan Salihamidzic, Roque Santa Cruz und Owen Hargreaves boten am Samstag keine internationale Klasse: Sie standen klar im Schatten des glänzend aufgelegten 19-jährigen Sami Khedira, des mexikanischen "Laufwunders" Pavel Pardo sowie der deutschen Nationalspieler Roberto Hilbert und Thomas Hitzlsperger.
"Das war keine Mannschaft"
Nach den beiden Gegentreffern durch Cacau (23./25. Minute), der beim ersten Tor von Christian Lell angeschossen wurde, war Kahn der Kragen geplatzt. Er feuerte Ball und Schirmmütze weg und sah von Schiedsrichter Markus Mark Gelb. "Wegen Zeitspiels. Wegen Zeitspiels beim Stand von 0:2", wie der 37-Jährige später kopfschüttelnd bemerkte. Genauso fassungslos war der Schlussmann über den Auftritt seiner Mitspieler. "Die erste Halbzeit war fatal. Das ist mir ein absolutes Rätsel. Ich habe keine Erklärung dafür, dass man sich praktisch abschlachten lässt", schimpfte er. "Jeder ist mit sich selbst beschäftigt, jeder spielt vor sich hin. Das war keine Mannschaft."
Dagegen zeigten sich die jungen Stuttgarter wieder als tolles Team, das drei Tage nach dem Einzug ins DFB-Pokalfinale die "Woche der Wahrheit" endgültig zu einem Festival machte. "Es ist unglaublich, was sie abliefern", lobte Teammanager Horst Heldt seine Spieler. Deren Freudengeheul hallte nach dem Abpfiff durch die Katakomben. Weil er die Profis feiern lassen wollte, richtete Trainer Armin Veh seine mahnenden Worte erstmal nur an die Besucher der Pressekonferenz: "Bei aller Euphorie müssen wir uns darauf konzentrieren, dass wir noch vier schwere Spiele haben."
Ulrike John und Elmar Dreher, dpa
Quelle: ntv.de