Kindergeld-Debatte Der SPD sei Dank
11.02.2008, 16:46 UhrDie Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Kindergeld übernahm die Bundesfamilienministerin für die CDU persönlich. Und das sichtbar mit Wonne. Nichts macht Ursula von der Leyen ja lieber als das von ihr als richtig Erkannte hartnäckig, aber charmant lächelnd nach außen zu verkaufen. Selbst die Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel kam bei der Ankunft am Montagvormittag in Hamburg ungefragt an den Kameras vorbei.
Die Schminke vom morgendlichen TV-Studioauftritt noch im Gesicht gab von der Leyen vor der Sitzung des CDU-Präsidiums ein Interview nach dem anderen. Mal um Mal wiederholte sie ihre Überzeugung, dass am 1. Januar 2009 das Kindergeld erhöht werden wird - auch wenn sich Teile der SPD im Augenblick noch sperren. "Kindergeld und Kindergärten kann man nicht gegeneinander ausspielen", wehrt sie Bedenken von Sozialdemokraten ab, die die Milliarden lieber direkt in Betreuungsplätze für die Kleinen investieren wollen.
Als die Kameras abgeschaltet waren, wunderte sich von der Leyen dann aber doch über das hohe Interesse an der Kindergelderhöhung. Dass über das Thema nachgedacht werden muss, sagt die Union seit Monaten. Die Forderung nach einer konkreten Erhöhung wurde bereits Anfang Januar auf der CDU-Vorstandsklausurtagung in Wiesbaden beschlossen. Nur war dies damals ziemlich untergegangen, weil die Parteispitze zugleich auf Wunsch von Hessens Ministerpräsident Roland Koch auch einen Maßnahmekatalog zur Kriminalitätsbekämpfung beschloss. Dieser hatte eine harte Gangart gegen Kriminelle - insbesondere kriminelle jugendliche Ausländer - zu seinem zentralen Wahlkampfthema gemacht.
Mit den bekannten Folgen: Koch verlor auch wegen dieses Themas - besonders wegen seiner Intonierung - seine Landtagswahl. Die Union setzte sich von seinem Wahlkampfstil ab. Es gab Dissonanzen. Der bundespolitische Trend schien sich auch gegen Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zu kehren, der es ohnehin schwer hat, sein Amt bei der Bürgerschaftswahl zu verteidigen.
Doch nun tauchte kurz vor der Präsidiumssitzung, die der Unterstützung für von Beust dienen sollte, das Thema Kindergeld wie aus dem Nichts wieder auf. Grund dafür war offenbar auch der Widerstand aus der SPD, der sich in den vergangenen Wochen gezeigt hatte. So hatten vor allem Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und der niedersächsische SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Jüttner, Chef der SPD-Arbeitsgruppe zur Kinderarmut, mehrfach zu verstehen gegeben, was sie vom CDU-Vorstoß halten: Herzlich wenig.
Merkel nahm einen Einwand von Sozialdemokraten nach der Sitzung dankbar auf. Das zusätzliche Kindergeld könnte verpuffen, weil es die Eltern für eigene Bedürfnisse ausgeben könnten, lauteten diese Bedenken. "Wir glauben, dass die allermeisten Eltern in der Lage sind, das Geld, das Ihnen zur Verfügung gestellt wird, ihren Kindern zukommen zu lassen", entgegnete Merkel.
Allerdings hat Merkel seit dem hessischen Debakel in jedem Interview und in jeder Rede die Sozialdemokraten gewarnt, in eine Politik des Verteilens zu verfallen. Beim Thema Kindergeld wollte sie dies nun jedoch nicht gelten lassen. Sie kann sich dabei auf einen unverdächtigen Verbündeten berufen: das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter haben den Gesetzgeber verpflichtet, in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob das Existenzminimum, das Familien ohne Abzug von Steuern belassen werden muss, angesichts der Lebenshaltungskosten noch hoch genug ist.
Bis zum Herbst wird nun ermittelt werden, ob Steuerlast und Existenzminium noch im Einklang stehen. Wahrscheinlich tun sie es nicht mehr, hat es doch seit 2001 keine Anpassung mehr gegeben. Die Freibeträge für Familien mit höheren Einkommen werden deshalb angehoben werden müssen. Die Union will nun, dass auch das Kindergeld hoch gesetzt wird, um alle Familien - also auch die mit geringeren und mittleren Einkommen - zu entlasten.
Mit so einer Forderung lässt sich auch gut Wahlkampf machen. Jedenfalls machte Hamburgs Bürgermeister von Beust nicht den Eindruck, dass er ob dieser Entwicklung unglücklich sei. Zum Thema Jugendgewalt verlor die Union diesmal kein Wort. Auch Ex-Wahlkämpfer Koch musste nichts dazu sagen - schließlich beantwortete von der Leyen ja sämtliche Fragen.
Von Ulrich Scharlack und Markus Klemm, dpa
Quelle: ntv.de