Online-Durchsuchung Der gläserne Terrorist
06.09.2007, 18:07 UhrSollen Fahnder bei Terrorverdacht heimlich private Computer ausspähen dürfen oder nicht? Die öffentlichen politischen Fronten sind klar: Die Unionsparteien sind dafür, SPD und alle drei Oppositionsparteien dagegen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über ein entsprechendes nordrhein-westfälisches Landesgesetz, gegen das die Linke klagte, steht in einigen Monaten an. Die mündliche Verhandlung hat Karlsruhe auf den 10. Oktober angesetzt.
Aber hinter dem parteipolitischen Wortgeklingel gibt es die Fachleute, die teilweise zwar auch politischen Lagern zugerechnet werden, aber inhaltlich andere Positionen vertreten. Zu nennen wäre hier etwa Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm, Ex-Staatssekretär im hessischen Innenministerium und SPD-Mitglied. Er ist ein Befürworter der Online-Durchsuchung. Genau wie BKA-Präsident Jörg Ziercke und Generalbundesanwältin Monika Harms. Mit gutem Grund verband Innenminister Wolfgang Schäuble nach den Festnahmen im Sauerland seine Bemerkung, er selbst oder sein Ministerium wollten diese Debatte jetzt nicht führen, mit dem Hinweis, man solle doch mal die Profis fragen.
Technisch geht es darum, dem Betroffenen eine Mail zuzuschicken, in der sich ein "Trojaner" verbirgt. Dieser nistet sich im Rechner ein, sammelt dessen Daten und mailt sie den Ermittlungsbehörden zurück, ohne dass der Betroffene es merkt.
Bei Terrorverdacht auch präventiv arbeiten
Juristisch wurden Online-Durchsuchungen vom Bundesgerichtshof Ende Januar quasi verboten, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe. Mit den Kriterien einer klassischen Wohnraum-Durchsuchung seien sie ebenso wenig zu messen wie mit denen einer Telefonüberwachung. Bei ersterer müsse der Betroffene oder ein von ihm Beauftragter dabei sein, um sich gegebenenfalls wehren zu können. Mit letzterer sei es nicht zu vergleichen, weil bei der Online-Durchsuchung auch Daten zugänglich würden, die möglicherweise nie zur Kommunikation vorgesehen waren.
"Terroristen verkehren nur online und nur kryptiert", also mit Verschlüsselung, argumentieren Sicherheitskreise. Die Verschlüsselung bereitet den Fahndern aber Probleme, und deshalb halten es die Sicherheitsorgane für nötig, nicht nur die Sendungen, sondern auch die Speicher zu durchsuchen. So kämen sie an mögliche Entwürfe für Botschaften, an Regieanweisungen übergeordneter Terrorstrukturen und Ähnliches und könnten effektiver präventiv arbeiten - aber eben auch an nicht gesendete Liebesbriefe oder andere höchst private Dinge.
Im neuen BKA-Gesetz, das dem Amt erlauben soll, bei Terrorverdacht auch präventiv zu arbeiten, müssten ihm dann auch alle übrigen ermittlungstechnischen Mittel wie Rasterfahndung, Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung zugestanden werden. Die Befürworter wollen in den Gesetzentwurf eine Regelung zur Online-Durchsuchung schreiben, die eine mögliche Entscheidung der Karlsruher Richter vorwegnimmt. Dabei sollen die Hürden vor der Genehmigung einer Online-Untersuchung so hoch gesetzt werden, dass die informationelle Selbstbestimmung weiter gewährleistet ist. Außerdem soll die Erlaubnis nur auf hochgefährliche Verdachtsbestände wie eben Terrorismus beschränkt werden. Wenn die Karlsruher Entscheidung schließlich doch andere Kriterien vorgibt, könne der Gesetzentwurf immer noch geändert werden.
Wenn die Karlsruher Richter einen Weg aufzeigen, der zu einer grundgesetzkonformen Legalisierung der Online-Durchsuchung führt, dann sollte der nach Ansicht der Sicherheitskreise auch genutzt werden. Bei der neuen Qualität des Terrorismus gehe es schließlich nicht "nur um einzelne Personen wie bei der RAF", sondern "möglicherweise um Tausende Tote."
Quelle: ntv.de