Erste Mission erfolgreich Deutschland klärt auf
15.04.2007, 15:34 UhrUm 10.25 Uhr afghanischer Zeit ist der mit Spannung erwartete Moment am Sonntag gekommen. Das Bundeswehr-Camp in Masar-i-Scharif wird vom Dröhnen des Nachbrenners erschüttert, den der Tornado-Pilot angeworfen hat. Die Maschine beschleunigt und schießt in den stahlblauen Himmel, der zweite Tornado folgt nach. 95 Minuten später rasen die Jets wie aus dem Nichts heraus wieder auf das Feldlager zu, drehen noch eine Runde und setzen auf. Der erste Aufklärungsflug der Tornados für die NATO in Afghanistan ist erfolgreich verlaufen. Die Soldaten am Boden sind erleichtert, dass ihre Kameraden wohlbehalten zurück sind.
Am Sonntag um Mitternacht hat die Bundeswehr der Internationalen Schutztruppe ISAF in Kabul die ersten zwei Tornados einsatzklar gemeldet. Am Morgen beginnt das Bodenpersonal, die Maschinen startklar zu machen. Zugmaschinen schleppen vier Tornados aus dem Hangar, von denen zwei starten werden, die anderen beiden stehen bereit, sollten technische Probleme auftreten. Soldaten überprüfen in der brütenden Hitze die Jets, der Luftdruck der Reifen wird gemessen, Leitungen werden gecheckt, Munition wird in die Bordkanone geladen. Der technische Leiter der Mission kommt mit dem Fahrrad angefahren und hält neben einer der fliegenden Hochtechnologie-Maschinen, um seine Truppe zu begrüßen und nach dem Rechten zu sehen.
"Einen gewissen Stolz" empfinde er schon, sagt der Technikchef, dessen Team eine gewaltige logistische Leistung erbracht hat, damit die Tornados überhaupt fliegen können – alleine 650 Tonnen Material wurden aus dem schleswig-holsteinischen Jagel eingeflogen, 100 Techniker sind für den Betrieb der insgesamt sechs deutschen Tornados notwendig. "Wir haben einen halben Flugplatz hier herüberverlegt", sagt der Ingenieur, der den Start der Maschinen vom Rande des Flugfeldes aus beobachtet. "Hat alles wunderbar geklappt", sagt er anschließend. "Jetzt müssen sie nur heile wiederkommen." Schließlich handele es sich nicht um einen Übungsflug in der Heimat. "Selbstverständlich ist das hier gefährlicher als in Schleswig-Holstein."
Das bekommen Stunden vor dem Start der Tornados in Masar-i-Scharif die deutschen Soldaten im nordafghanischen Feisabad zu spüren: Nahe ihres Lagers feuern Unbekannte am Sonntagabend zwei Panzerfäuste ab, niemand wird verletzt. Auch die Tornado-Besatzungen "müssen damit rechnen: Die Bedrohung ist da", sagt der Chef des Einsatzgeschwaders, Kommodore Thorsten Poschwatta. "Man muss immer mit einer gewissen Anspannung in die Mission reingehen." Beim ersten Einsatzflug habe es aber keine bedrohliche Situation gegeben. Die Piloten hätten nach der Landung von der "beeindruckenden Landschaft" erzählt. Afghanistan sei "ein sehr interessantes, schönes Land von oben -in dem Bewusstsein natürlich, dass auch Zerstörung und Krieg hier herrschen".
Feindaufklärung sei generell Teil der Mission, habe aber am Sonntag nicht zu den Aufgaben gehört, sagt Poschwatta. Einzelheiten der NATO-Aufträge sind geheim, der Kommodore erzählt lediglich, dass die beim Aufklärungsflug geschossenen Fotos eine "hervorragende Qualität" hätten. Nur 45 Minuten nach der Landung liegen Bilder und eine erste Auswertung bei der NATO in Kabul vor. Die mit Teleobjektiv aus über 5000 Meter Höhe aufgenommenen Fotos sind so scharf, dass im besten Falle sogar Autokennzeichen erkennbar sind. Ein guter Luftbildauswerter müsse zehn Jahre Erfahrung haben, sagen die Spezialisten. Dann kann er selbst aus einem Schatten auf einem Foto noch Informationen lesen. Die Auswerter der Bundeswehr können das.
"Das erste Feedback der NATO ist hervorragend", betont Poschwatta. "Die sagen, das ist genau das, was sie hier brauchen an zusätzlichen Aufklärungsergebnissen." Nicht nur von den Auswertern am Boden, auch von den Fliegern erfordern die Missionen höchste Konzentration – bei einem schon vor dem Start schwierigen Arbeitsumfeld. In den stehenden Jets heizt die glühende Sonne die auch oben verglasten Cockpits auf, die Klimaanlage funktioniert erst beim Flug. In schätzungsweise 60 Grad harre die Besatzung aus, bis sie abheben dürfe, sagt der Kommodore. Nach dem Einsatz am Sonntag sei die Crew erschöpft gewesen. Während sie sich noch von den Strapazen erholt, bereitet die nächste Besatzung bereits die Flüge für Montag vor.
Von Can Merey, dpa
Quelle: ntv.de