Juden zeigen kalte Schulter Dialog abgebrochen
29.01.2009, 19:18 UhrVon Papst Johannes Paul II. stammt das Wort, dass die Juden die älteren Brüder der Katholiken sind. Sein Nachfolger Papst Benedikt XVI. hat es nun geschafft, dass zwischen den Geschwistern Eiseskälte herrscht. Ab sofort wolle sie kein Wort mehr mit den Vertretern der katholischen Kirche wechseln, sagt Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Rückkehr des Holocaust-Leugners und erzkonservativen Bischofs Richard Williamson in die katholische Kirche brachte bei Knobloch das Fass zum Überlaufen. Allerdings war es schon vorher randvoll: Unter dem deutschen Papst sind die sensiblen Beziehungen zusehends abgekühlt.
Entsprechend groß ist in der jüdischen Gemeinde die Zustimmung für Knoblochs Kritik am Papst und dessen Entscheidung, die Exkommunikation von vier traditionalistischen Bischöfen wieder aufzuheben und damit auch Williamson in die Kirche zurückzuholen. "Unter solchen Voraussetzungen wird es zwischen mir und der Kirche momentan sicher kein Gespräch geben", sagte Knobloch der "Badischen Zeitung". Einschränkend ergänzte sie: "Ich unterstreiche das Wort 'momentan'."
Bischofskonferenz will Dialog am Leben halten
Der Vize-Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann, sagt, er halte es für klug, kräftig gegen den Schritt des Papstes zu protestieren. Die Juden in Deutschland befänden sich in einem "tiefen Schock", dass ausgerechnet ein deutscher Papst solch einen Schritt macht und einen Holocaust-Leugner rehabilitiert. "Ein deutscher Papst müsste hier sehr viel mehr Sensibilität haben." Der Dialog sei nun nicht für alle Zeiten beendet, der Schaden müsse aber von der katholischen Kirche behoben werden.
Dass zumindest die Deutsche Bischofskonferenz dazu bereit ist, signalisierte deren Vorsitzender, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Nachdem er den Eklat um Williamson bislang passiv begleitet hatte, ging Zollitsch bei einem Besuch der Mannheimer Synagoge in die Offensive. "Ich bemühe mich, dass es schon bald zu einem Gespräch mit Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland kommt", erklärte Zollitsch. Alle seine Kräfte wolle er dafür einsetzen, um den regelmäßigen Dialog am Leben zu halten.
Respekt vermisst
Zentralrats-Vize Graumann sieht indes das Vorspiel für die aktuellen Geschehnisse in der Wiederzulassung der Karfreitags-Fürbitte durch den Papst im vergangenen Jahr. Darin steht die Aufforderung zur Juden-Mission, außerdem wird von der "Verblendung" des jüdischen Volkes gesprochen. Der Streit hatte im vergangenen Jahr den Katholikentag in Osnabrück überlagert. Damals hatte der Rektor des Abraham Geiger Instituts der Universität Potsdam, Rabbiner Walter Homolka, zusammen mit anderen seine Teilnahme an dem Treffen abgesagt und damit eine Debatte über das jüdisch-katholische Verhältnis in Deutschland ausgelöst.
Homolka hält es trotz des Affronts bis heute für richtig, dass er damals abgesagt hat. Und er hält auch Knoblochs Beendigung des Dialogs für richtig. Denn auch die Deutsche Bischofskonferenz müsse sich fragen lassen, wie ihre Stellung zum Judentum ist. Es gehe dabei gar nicht um eine Solidarität vor dem Hintergrund des Holocaust. "Es geht um die Frage, ob es einen Respekt gibt für das jüdische Volk." Diesen vermisse er auch innerhalb des deutschen Klerus.
Knobloch jedenfalls genügen die Worte des Papstes in seiner Generalaudienz nicht. Benedikt hatte darin Versuche verurteilt, den Holocaust zu leugnen. "Worten sollten auch Taten folgen. Einen Holocaust-Leugner zu rehabilitieren, sich diesen klaren Aussagen nicht zu widersetzen, müssten zumindest Konsequenzen gegenüber dem Holocaust-Leugner ersichtlich sein", sagte Knobloch. Die Botschaft vom "älteren Bruder" ist unmissverständlich: Nur wenn Du Williamson aus deiner Kirche rausschmeißt können wir uns wieder an einen Tisch setzen.
Quelle: ntv.de, Ralf Isermann, AFP