Roland Koch im n-tv Interview Die Balance hinbekommen
04.12.2007, 16:56 UhrAuf dem Bundesparteitag in Hannover hat die CDU ihr drittes Grundsatzprogramm verabschiedet und sich damit vom Koalitionspartner SPD abgesetzt. Im Interview mit n-tv charakterisiert Hessens Ministerpräsident Roland Koch das Programm als gelungenen Mittelweg, der verschiedene politische Strömungen vereint und die CDU zu einer Volkspartei macht.
n-tv: Herr Koch, wie groß und wie konkret ist die Gefahr, dass ausländische Unternehmen, auch staatlich kontrollierte ausländische Unternehmen, deutsche Unternehmen übernehmen?
Roland Koch: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Summe, die den staatlich gelenkten Wirtschaften heute zur Verfügung steht, enorm steigt. In China zum Beispiel durch die Tatsache, dass sie einen nicht ganz sachgerechten Wechselkurs haben und damit sehr viel US-Dollar am Ende jedes Jahres übrigbleiben. Oder Russland mit seinen großen Erdöl- und Erdgasvorkommen, die ja auch wir kaufen.
Damit haben wir Länder, die im Gegensatz zu den alten Erdölstaaten durchaus auch Interesse daran haben, aggressiv in andere Wirtschaften zu investieren. Das heißt, das Problem wird in Zukunft häufiger vorkommen, und Deutschland ist das einzige Land, das bisher keinen rechtlichen Rahmen hat, wie es mit solchen staatlich gelenkten Investitionen umgeht. Das wollen wir jetzt ändern.
Bleiben wir beim Thema Wirtschaft. Die CDU hat "Ja" gesagt zum Mindestlohn bei den Briefzustellern. Heute nun die Meldungen: Ein Unternehmen, das schon auf dem Markt ist, will Stellen abbauen. Zwei weitere, die auf den Markt wollten, sagen nun ihr Pläne ab. Ist der Schuss nach hinten losgegangen?
Die Entwicklung im Bereich der Post ist problematisch, das war von Anfang an zu sehen. Aber ich glaube, man muss auch klar die Sphären zwischen Staat und Wirtschaft auseinanderhalten. Wir haben nach den Regeln des Entsendegesetzes gesagt, dass wir bereit sind, bei der Privatisierung und bei der endgültigen Öffnung der Märkte der Post eine Rahmenbedingung mit zu schaffen, auf der Basis dessen, was Tarifvertragsparteien verabreden.
Eine Tarifvertragspartei, die Post, hatte am Ende höhere Löhne durchgesetzt als sie dem Markt sicher gut tun. Andere Arbeitgeber haben sich nicht rechtzeitig organisiert und deshalb haben wir da eine unangenehme Situation. Nur - der Staat darf nicht am Ende Tarifverträge korrigieren, das geht auch nicht. Das ist eine besondere Schwierigkeit, die zwar bedauerlich, aber am Ende dieser Entwicklung, nach meiner Einschätzung, auch nicht zu beseitigen ist.
Die CDU rückt mit dem neuen Grundsatzprogramm ein bisschen in die Mitte - das war das große Schlagwort gestern. Und die Mitte, hat man den Eindruck, ist so breit, dass sie alles enthält und vielleicht auch nichts. Verliert die CDU ihre Konturen?
Ich glaube überhaupt nicht, dass wir die Konturen verlieren. Die Mitte ist sehr klar konturiert. Sie grenzt sich ab von den Extremen auf der einen und anderen Seite. Sie ist nach wie vor die politische Idee, die eine große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich versammeln will. Das bedeutet: Wir sind keine FDP und keine Grünen, die mit fünf oder zehn Prozent der Wählerinnen und Wähler zufrieden sind und deshalb ganz scharfe Schnitte machen können.
Wir suchen kein Programm, gegen das 90 Prozent sind, sondern wir suchen ein Programm, das 50 und 60 Prozent der Bevölkerung mindestens hinter sich hat, damit die CDU auch den Anspruch behält, potenziell die absolute Mehrheit in einem Land zu bekommen. Und das bedeutet: Wir müssen viele einbinden, unter einheitlichen Prinzipien.
Unser Prinzip ist: Vertrauen auf den Einzelnen, das sozialdemokratische Prinzip ist: mehr Vertrauen auf den Staat. Unser Prinzip ist: Hoffnung, dass technologische Entwicklung Wachstum bringt. Die Grünen und andere sind sehr skeptisch bei technologischer Entwicklung. Die Kanten sind schon klar, aber das ist ein Mehrheitsprogramm.
Fehlen der neuen CDU Männer wie Alfred Dregger oder Friedrich Merz?
Vielleicht fehlen hier auch Männer wie Blüm. Die Volkspartei CDU hat natürlich in einer modernen Gesellschaft der Medien auch Schwierigkeiten, jede Biographie in einem Programmteil abzubilden. Das mag so sein, trifft aber nicht nur die CDU. Aber wenn man schaut, was Alfred Dregger dachte und was Norbert Blüm dachte, dann haben die immer miteinander gekämpft. Und dieses Ringen, das findet nach wie vor statt. Jetzt bilden sich Gruppen von jungen Menschen, die sagen: "Wir sind konservativ". Das ist prima, das gehört zur Balance der Partei. Und das Grundsatzprogramm und seine Verabschiedung zeigt: Wir haben diese Balance hinbekommen.
Bei uns gibt es Konservative und sehr sozial engagierte Arbeitnehmervertreter, bei uns gibt es sehr liberal orientierte Menschen in der Wirtschaftspolitik. Und alle sagen zum Schluss: "Wir finden eine gemeinsame Heimat". Das ist das wichtige in einer Gesellschaft, dass man am Ende eine gemeinsame Position findet, wie man ein Land gestalten will.
Mit Roland Koch sprach Christoph Teuner
Quelle: ntv.de