SPD in der Krise Die Basis bleibt gelassen
11.08.2008, 09:26 UhrDie SPD steckt im Umfragetief. Der jüngsten forsa-Umfrage zufolge würden derzeit nur noch 20 Prozent der Bevölkerung bei der nächsten Bundestagswahl die Sozialdemokraten wählen. Im Juli dieses Jahres überschritten erstmals die Mitgliederzahlen der CDU die der SPD.
Der Streit zwischen dem linken und dem rechten Flügel, das Zerwürfnis über den Umgang mit der Linkspartei und das Parteiausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement drohen die Partei zu zerreißen. Wie die Parteifunktionäre darüber denken, ist bekannt. Doch wie ist die Stimmungslage an der viel zitierten Parteibasis?
Die Umfragen lassen Verzweiflung erwarten, bestenfalls Resignation. Erstaunlicherweise ist von Untergangsstimmung an der Basis nichts zu spüren. Was die Basis wirklich will, ist ein Ende des öffentlichen Streits. Ihr ist der Machtkampf zwischen den Flügeln in der SPD egal.
"Alles dreht sich um die Machtfrage"
Der Ortsvorsitzende der SPD im ostwestfälischen Lübbecke, Michael Wolski, hält sowohl das linke Parteilager als auch den eher konservativen Seeheimer Kreis für unfähig zum Kompromiss. "Alles dreht sich nur um die Machtfrage in der SPD", so Wolski. Von sinkenden Mitgliederzahlen sei in Lübbecke nichts zu spüren: "Sterbe- und Geburtsrate gleichen sich aus. Einen vermehrten Austritt aufgrund der aktuellen Streitigkeiten kann ich nicht feststellen."
Paul Weisflog, Chef der Jusos im brandenburgischen Cottbus, schreibt die schlechten Umfragewerte einer "generellen Verunsichertheit" in der SPD zu. Es sei eben schwierig, in einer Großen Koalition seine Politik durchzusetzen. Auch in Cottbus will man von vermehrten Parteiaustritten bislang nichts gemerkt haben. Zwar träten Mitglieder aus, vor einem halben Jahr jedoch, während der Hessenwahl, habe es deutlich düsterer ausgesehen. Die Mitgliederzahlen hielten sich nun wieder konstant; "man muss eben auch durch schlechte Zeiten".
Simone Schreiner, Vorsitzende des Ortsvereins im bayrischen Meyernberg, sieht die Sozialdemokraten mit einem grundsätzlichen Problem konfrontiert: "Bei der SPD wird eine Erwartungshaltung angesetzt, die verknüpft ist mit Arbeitsplätzen und mit einem Aufschwung, der auch an der Basis ankommt." Dort spiele der Richtungsstreit nur als Störfaktor eine Rolle.
Keine Einigkeit um Clement
Auch den Streit um Clement bewerten unsere drei Befragten vor allem mit Blick auf die Außendarstellung der Partei. Für Schreiner ist die Diskussion, wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Bayern am 28. September, "völlig unnötig". Der öffentliche Streit sei parteischädigend und "völlig überspitzt".
Weisflog bringt Verständnis für das Verfahren auf, findet es jedoch auch fair, Clement die Hand zu reichen. Er kritisiert die Art und Weise, auf welche das Verfahren in der Öffentlichkeit ausgetragen wird: "Es wird schön hochgekocht". Lediglich Wolski fordert einen Ausschluss "unabhängig von linken und rechten Positionen".
Falscher Zeitpunkt für den Richtungsstreit
Die Außenwirkung steht auch beim Thema Linkspartei an erster Stelle. Der Ortsvorsitzende der Lübbecker SPD findet es "immer richtig, Gespräche zu führen", aber in diesem Falle sollten die Gespräche wegen der anstehenden Wahlen verschoben werden. Gleiches gelte für die Kandidatur von Gesine Schwan für das Amt des Bundespräsidenten. Ihm geht es nicht um die Person, sondern die Folgen der Kandidatur: "Ich verstehe nicht, warum sich die Partei das antut."
Weisflog sieht durchaus Kooperationschancen mit der Linken. "Es gibt viele Beispiele, wo es funktioniert", sagt der Cottbusser Juso-Vorsitzende. Das Problem sieht er in dem Wortbruch der SPD, die vor den Hessenwahlen eine Koalition mit der Linken ausgeschlossen hatte.
Schreiner definiert den Zwist um die Linkspartei als "Generationsfrage". Die älteren, konservativeren Mitglieder stehen der Linkspartei eher skeptisch gegenüber, sie selbst und die jüngere Generation seien offen für neues - so lange es nicht den Wahlkampf überschattet. Ein "negatives Thema" vor der Landtagswahl lehnt sie ab
"Nicht den Kopf in den Sand stecken"
Wie kann es die einstige Volkspartei schaffen, wieder attraktiv für die Wähler zu werden? Unsere drei Interviewten setzen nicht auf eine Entscheidung zwischen rechts und links, sondern auf eine Zukunft ohne Streit. Schreiner plädiert für eine "lückenlose Aufklärung der Sachverhalte, die Unterschiede zwischen CDU und SPD müssen deutlich werden". Man dürfe auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken, so die Vorsitzende des Ortsvereins Meyernberg. "Dieses Schlecht-Reden, dieses Negativ-Denken, was wir Deutschen immer so gerne machen, das muss aufhören! Wir müssen prinzipiell etwas an unserem Diskussionsstil ändern."
"Die SPD soll klar definieren, was sie machen will und dann werden wir auch in den Umfragewerten wieder steigen", hofft Wolski. Mehr Bürgernähe predigt Weisflog: "Wir dürfen uns nicht so stark auf das Medien-Trara konzentrieren."
Quelle: ntv.de