Dossier

Israelische Siedlungen Die Frage der Legitimität

Die Siedlung Givat Ze'ev nahe Ramallah im Westjordanland.

Die Siedlung Givat Ze'ev nahe Ramallah im Westjordanland.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"Die Vereinigten Staaten akzeptieren nicht die Legitimität fortgesetzter israelischer Siedlungstätigkeit", sagte Barack Obama in Kairo. Doch was ist damit gemeint?

"The United States does not accept the legitimacy of continued Israeli settlements. This construction violates previous agreements and undermines efforts to achieve peace. It is time for these settlements to stop." (Die Vereinigten Staaten akzeptieren nicht die Legitimität fortgesetzter israelischer Siedlungen / Siedlungstätigkeit. Diese Konstruktion verletzt frühere Abkommen und untergräbt Friedensbemühungen. Es ist Zeit, dass diese Siedlungen aufhören / Siedlungstätigkeit aufhört.)

Das ist der Schlüsselsatz der Rede von Präsident Barack Obama zu Israels Siedlungspolitik. Die israelische Zeitung "Haaretz" hat diesen Satz ins Hebräische übersetzt zu einer Balkenüberschrift gemacht, jedoch leicht verkürzt: "Die USA akzeptieren nicht die Legitimität israelischer Siedlungen." Doch da fehlt noch das Wörtchen "fortgesetzt". Was dieses zu bedeuten hat, konnte nicht einmal der Pressesprecher der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv erklären. Auch der nachfolgende Satz ist eher kryptisch: "Diese Konstruktion verletzt frühere Abkommen und untergräbt Friedensbemühungen." Auch beim dritten Satz kapituliert der amerikanische Beamte: "Es ist Zeit, dass diese Siedlungen aufhören / Siedlungstätigkeit aufhört." Der Referent versprach, Rückfrage bei seinen Vorgesetzten in Washington zu halten. "Doch solange alle Welt noch von der Rede überwältigt ist, dürfte das dauern." Der Beamte gestand, dass diese sprachlichen Verständnisfragen berechtigt seien, da auch er nicht wisse, was gemeint sei. "Vielleicht haben die Redenschreiber ganz bewusst Zweideutigkeiten eingebaut."

Der tiefe Sinn der Worte Obamas kann angesichts der Zweideutigkeiten nur erraten werden. Die heute bestehenden Siedlungen werden üblicherweise in Kategorien mit unterschiedlicher politischer Bedeutung aufgeteilt. Die Palästinenser freilich halten jegliche israelische Bautätigkeit jenseits der "Grenze von 1967" für völkerrechtlich illegitim, während die Israelis behaupten, dass jene Grenze "nur" eine diplomatisch nicht-verpflichtende Waffenstillstandslinie sei, wie es in dem Abkommen von Rhodos aus dem Jahr 1949 zwischen Israel und Jordanien festgehalten ist. Diese Linie oder Grenze sei Verhandlungsmasse.

"Autorisierte" Siedlungen und illegale Außenposten

Gleichwohl hat Israel das Gebiet jenseits dieser Linie nicht annektiert. Bis heute gilt im Westjordanland militärisches Besatzungsrecht. In diesem Gebiet leben etwa 300.000 israelische Siedler in 121 von der israelischen Regierung "autorisierten" Siedlungen. Es handelt sich um kleine umzäunte Dörfer und um große Städte mit über 30.000 Einwohnern wie in Ariel, Bethar, Efrat und Maaleh Adumim. Diese Großsiedlungen werden auch "Siedlungsblöcke" genannt. Gemäß schriftlichen Absprachen mit den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush sollen diese "Blöcke" bei Israel verbleiben.

Ein Siedler in einer illegalen Siedlung nahe Nablus: Das Gebäude wurde von der isralischen Armee zerstört.

Ein Siedler in einer illegalen Siedlung nahe Nablus: Das Gebäude wurde von der isralischen Armee zerstört.

(Foto: REUTERS)

Hinzu kommen noch so genannte illegale Außenposten. Das sind Siedlungen, die nach Ausbruch der Intifada ab dem Jahr 2001 "wild" errichtet worden sind, ohne Regierungsbeschluss. Das "illegal" bezieht sich auf israelisches Recht und nicht auf internationales Völkerrecht, das pauschal gemäß Paragraph 49 der Genfer Konvention einem Besatzerstaat verbietet, seine Bevölkerung in besetztes Land "zu deportieren oder zu verschleppen".

Baustopp: Oft versprochen, nie durchgesetzt

Israel hat sich im Rahmen der "Roadmap", der "Straßenkarte" zur Zweistaatenlösung, verpflichtet, diese nicht-genehmigten Außenposten zu räumen, was wegen des Widerstands radikaler Siedler einem Katz-und-Maus-Spiel gleicht: Bulldozer zerstören am Morgen die Blechhütten und Container auf den Hügeln, während die Siedler bis zum nächsten Morgen dort wieder provisorische Hütten errichten. Seit den neunziger Jahren versuchen die Amerikaner, Israels Siedlungspolitik zu bremsen, einzugrenzen und zu stoppen. Israel verpflichtete sich, keine "neuen" Siedlungen zu gründen, weigert sich aber standhaft, das "natürliche Wachstum" zu unterbinden. In Siedlungen wie Schiloh, mit einem "historischen" Kern aus den siebziger Jahren, wurden auf Hügeln rund um die Siedlung einzelne Häuser gebaut, teilweise kilometerweit vom Siedlungskern entfernt. So umfasst Schiloh ein riesiges, aber nur dünn besiedeltes Gebiet, zu dem Palästinenser keinen Zugang haben.

Wiederholt hat Israel seit den Friedensverhandlungen mit Ägypten vor 30 Jahren einem Baustopp in den Siedlungen zugestimmt, ihn aber niemals durchgesetzt.

Eine weitere Kategorie stellen die Schlafstädte rund um Jerusalem dar. Fast die Hälfte der jüdischen Bewohner Jerusalems, rund 250.000 Menschen, lebt in Vierteln im ehemals jordanischen Osten der einst geteilten Stadt. Die Israelis hatten 1967 die Stadtgrenzen erheblich erweitert und ganz Jerusalem annektiert. Deshalb betrachten die Israelis diese "Siedlungen" innerhalb Jerusalems als legitime Stadtviertel.

Doch Jerusalem ist international ein separates Kapitel. Gemäß dem UN-Teilungsplan von 1947 sollte Jerusalem dem UN-Sicherheitsrat unterstellt werden. Deshalb wird nicht einmal West-Jerusalem als israelisches Territorium anerkannt. Alle Botschaften, darunter auch die amerikanische, haben ihren Sitz in Tel Aviv.

Quelle: ntv.de

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