Viele Ziele in London Die G20 könnten sich überheben
29.03.2009, 14:25 UhrEs ist eins der wichtigsten Gipfeltreffen seit dem Ende des Kalten Kriegs. Die Regierungen der 20 größten Volkswirtschaften der Welt wollen in London beraten, wie der schwersten Wirtschaftskrise seit 60 Jahren begegnet werden kann. Es geht um eine Strategie, die solche Krisen künftig verhindert. Die wichtgesten Fragen und Antworten:
Was sind die Ziele des Londoner Gipfels?
Die britische Präsidentschaft nennt drei Schwerpunkte: Die kurzfristige Stabilisierung der Finanzmärkte. Die längerfristige Reform des Finanz- und Wirtschaftssystems. Weiterhin sollen Maßnahmen beraten werden, die Weltwirtschaft wieder auf einen Pfad für ein "nachhaltiges Wachstum" zurückbringt.
Worin liegt der Unterschied zum Treffen im November 2008?
In Washington stand vor einem halben Jahr die grundlegende Reform des Finanzsystems im Mittelpunkt. Die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten dazu einen 50 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog, der bereits die Überschriften für die Einzelmaßnahmen enthielt. Kernpunkt: Alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Marktteilnehmer sollen künftig und beaufsichtigt werden. Auch die Hedge-Fonds und den Ratingagenturen müssen künftig mit Überwachung rechnen. In London werden weitere Themen besprochen. Eine Reform der Regeln für die Eigenkapitaldecke der Banken, damit wieder mehr Kredite fließen. Auch die Ankurbelung der Konjunktur war in Washington noch nicht so sehr das Thema. Die Gefahr ist, dass sich die Staaten in London nun überheben.
Gibt es bereits Zwischenerfolge?
Die G20-Länder hatten in Washington ein gemeinsames Vorgehen gegen Steueroasen vereinbart. Die europäischen G20-Länder verschärften im Februar in Berlin nochmals den Ton und drohten mit Anprangerung und Sanktionen gegen solche Länder, die im Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht kooperieren. Länder wie die Schweiz, Liechtenstein oder Andorra haben inzwischen reagiert und ihr Bankgeheimnis gelockert. Der Steuerstreit mit der Schweiz eskaliert aber weiter, nachdem Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit lockeren Sprüchen die Berner Regierung provoziert hat.
Zeichnet sich in London ein Konflikt zwischen Europa und den USA ab?
Ja. US-Präsident Barack Obama führt einen Werbefeldzug für "mutige" Schritte bei der Bekämpfung der globalen Wirtschaftskrise. Er ruft die G20-Teilnehmer weltweit zu "schnellen Maßnahmen" auf, die Konjunktur zu stimulieren. In Paris und Berlin stößt das auf wenig Resonanz. Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich nicht vorschreiben lassen, was sie zu tun hat. Zudem haben aus Sicht der Kanzlerin die USA die weltweite Krise ausgelöst, auch wenn Obama da noch gar nicht im Amt war. Sie erwartet vom neuen Mann im Weißen Haus aber erst einmal ein wenig Demut.
Sitzen wirklich die wichtigsten Staaten am Tisch?
Auf den ersten Blick schon. Die G20-Staaten stehen für 85 Prozent des globalen Wirtschaftsleistung der Welt. Sie repräsentieren zwei Drittel der Weltbevölkerung. Wer spricht aber für den Rest der Welt? Die Entwicklungsländer wird die Krise am härtesten treffen. Sie sind aber höchstens indirekt repräsentiert - durch die Weltbank oder Länder wie Brasilien oder Südafrika.
Warum ist der Gipfel wichtig für die Kanzlerin?
Die stärksten Auftritte hatte Angela Merkel in den vergangenen dreieinhalb Jahren ihrer Kanzlerschaft in der Außenpolitik. Vor allem als EU-Ratspräsidentin schlug sich die Regierungschefin wacker, als sie maßgeblich half, den Vertrag von Lissabon zu retten. Ein paar Monate vor der Bundestagswahl würde es sich für Merkel gut machen, wenn der G20-Gipfel ein Erfolg würde. Sie weiß, die Bürger erwarten von der Politik Konsequenzen aus dem Finanzdesaster erwarten.
Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa