Israel und der Vatikan Diplomatische Missklänge
12.04.2007, 19:52 UhrVon n-tv Korrespondent Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der Vatikan-Botschafter in Israel, Nuntius Antonio Franco, hat angekündigt, nicht an der offiziellen Zeremonie zum Gedenken an die sechs Millionen Opfer der Schoah in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem teilnehmen zu wollen. Er fühle sich "unwohl", den Papst in einer Institution zu vertreten, wo das Wirken des Papstes Pius XII während des Zweiten Weltkriegs "falsch" dargestellt werde. Mit seinem Fernbleiben wolle er ein Zeichen setzen und die Aufmerksamkeit auf das "Problem" lenken.
Das israelische Außenministerium erklärte in einer offiziellen Mitteilung: Bei dem jährlichen "Tag der Schoah und des Heldentums" gehe es um das Gedenken der Opfer eines der der "traumatischten" Ereignisse in der Geschichte des jüdischen Volkes und der Menschheit. "Jeder muss es mit seinem Gewissen verantworten, ob er an der Zeremonie teilnimmt", sagte der Sprecher.
Jad Vaschem hält es in einer offiziellen Erwiderung für "unerhört", dass "diplomatischer Druck bei einer Frage der Geschichtsforschung" ausgeübt werde. Die Gedenkbehörde behauptet, dass alles, was in ihrem Museum auf einer Tafel stehe, "der Wahrheit entspricht, wie sie heute den Forschen bekannt sei". In einem Brief an den Nuntius habe die Gedenkbehörde ihre Bereitschaft erklärt, die Angelegenheit "zu überprüfen", doch müsse der Vatikan die Archive zu der Amtszeit des Papst Pius XII öffnen, damit die Historiker aus den Dokumenten "andere oder neue Dinge lernen können, die bis heute unbekannt sind".
Auf der vom Vatikan-Botschafter monierten Schrifttafel wird erwähnt, dass Papst Pius XII sich noch in seiner Funktion als Staatsekretär des Vatikans um ein Konkordat mit Nazideutschland bemüht habe, um die Rechte der Kirche in Deutschland zu schützen. Dieses Konkordat bedeutete eine Anerkennung des "rassistischen wie antisemitischen Naziregimes". Weiter wird auf der Tafel das lange Schweigen und die "Neutralität" des Papstes während des Zweiten Weltkriegs beklagt.
Der Beschluss des Vatikan-Botschafters, den offiziellen israelischen Staatsakt zum Gedenken an den Holocaust zu boykottierten kommt nur fünf Wochen, nachdem die katholischen Bischöfe Deutschlands bei ihrem Besuch in Israel und den palästinensischen Gebieten die Stadt Ramallah wegen der von Israel errichteten Schutzmauer mit dem Warschauer Ghetto verglichen hatten. Einen Eklat gab es auch unmittelbar vor der Abreise des Rats der EKD, der evangelischen Bischöfe, nach Israel, wo sie sich noch bis Montag aufhalten werden.
Rabbi David Rosen, seinerzeit verantwortlich für die Verhandlungen zwischen Israel und dem Vatikan, hat Bischof Wolfgang Huber bei dessen Treffen mit Oberrabbiner Jona Metzger auf einen Leitartikel auf der Internetseite der EKD angesprochen. Daraus ging hervor, dass nicht Pontius Pilatus, sondern pauschal das jüdische Volk für den Tod Jesu verantwortlich gewesen sei. Diese Sichtweise hatte zweitausend Jahre lang dazu geführt, dass Juden als "Gottesmörder" verfolgt wurden. Nach Angaben von Rabbiner Rosen habe Huber sich für die "Missverständnisse" entschuldigt. Der Artikel wollte keineswegs Pilatus reinwaschen oder die Juden pauschal beschuldigen. Doch weil der Artikel "missverständlich" interpretiert worden sei, habe die EKD beschlossen, ihn aus ihrem Internetauftritt zurückzuziehen.
Quelle: ntv.de