"Selbstverliebt" und "geltungssüchtig" Dr. Radovan Karadzic
26.10.2009, 08:58 Uhr
Karadzic sieht sich als Diener seines Volkes in einer "historischen Rolle".
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Verschwörung des Vatikans, der USA, Deutschlands und Österreichs haben sein Großserbien verhindert. Die Katholische Kirche, die im Zweiten Weltkrieg gegen die serbische Orthodoxie den Kürzeren gezogen hat, will gegen seine Landsleute verlorenes Terrain wieder gut machen. Von diesem verworrenen Weltbild will Radovan Karadzic, der frühere politische Führer der bosnischen Serben im Krieg (1992-1995), auch heute nicht abrücken.
Er habe sich nichts vorzuwerfen, habe stets als Diener seines Volkes seine "historische Rolle" gespielt, sagt der 64-Jährige immer wieder. Ziel sei die Vereinigung aller Serbengebiete im früheren Jugoslawien gewesen, um sein Volk überhaupt überleben zu lassen. Auch der Krieg war dazu ein legitimes Mittel, hatte er mehrmals getönt. Die Toten und Verletzten, die Grausamkeiten und Vertreibungen seien traurige, aber unumgängliche Begleiterscheinungen auf dem Weg zu diesem großen Ziel.
Schillernder Wunderheiler
Seine Rolle als Partner von Präsidenten und Regierungschefs auch der mächtigsten Länder der Erde hat er offen genossen. Selbst auf seiner Flucht hatte er sich keineswegs verkrochen, sondern trat als verkleideter Wunderheiler in aller Offenheit auf. Seine Zunftkollegen bescheinigen dieser schillernden Persönlichkeit mit der weißen Haarmähne als Markenzeichen "Selbstverliebtheit" und "Geltungssucht". Einer der mutmaßlich größten Kriegsverbrecher nach 1945 pflegt sein Bild als tiefgläubiger orthodoxer Christ.
Der aus Montenegro stammende Karadzic war als Kind ins multi-ethnische Sarajevo gekommen. Nach dem Medizinstudium arbeitete er dort als Psychiater am Kosevo-Krankenhaus - heute das Zentrum für die Behandlung von Folter- und Kriegsopfern. Der Freizeitpoet und Volksmusikant stieg 1991 zum unumstrittenen politischen Führer seiner Landsleute in Bosnien auf. Seine strategischen Pläne wurden von seinem Militärchef Ratko Mladic taktisch meisterhaft in die (Kriegs-)Tat umgesetzt.
Nachdem die bosnischen Serben durch NATO-Bomben zum Friedensschluss (1995) gezwungen worden waren, sank auch der Stern von Karadzic. Ein Jahr später gab er auf Druck der USA alle Ämter ab und verschwand aus der Öffentlichkeit. Unter Obhut des serbischen Geheimdienstes, der ihm gefälschte Papiere verschaffte, versteckte er sich hinter der Fassade des Alternativmediziners Dr. Dragan Dabic in Belgrad - mit weißem Haarzopf, Vollbart und dicker Brille. Im Juli letzten Jahres wurde er festgenommen und an das UN-Tribunal nach Den Haag ausgeliefert.
Quelle: ntv.de, dpa