Undiplomatisch bis ins Mark Dr. phil. h.c. Merkel
01.04.2007, 17:38 UhrDen purpurroten Hosenanzug, wie sie ihn bei König Abdullah von Jordanien getragen hatte, tauschte sie an Palmsonntag gegen einen schwarzen Anzug mit Perlenkette aus, um in Jerusalem die Ehrendoktorwürde zu empfangen. Die Physikerin Angela Merkel war sichtbar berührt, ausgerechnet in Israel, von der Hebräischen Universität, wo schon Albert Einstein und Martin Buber lehrten, zur "Philosophin" erklärt zu werden. Anstelle eines Doktorhutes hängte ihr Uni-Direktor Menachem Megidor ein hellblaues Halsband mit silberner Medaille um.
Megidor verlas die Begründung für die Ehrung Merkels als Philosophin honoris causa. Die Kanzlerin lächelte bekannte Gesichter im Publikum an, die Schauspielerin Iris Berben, die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch und die Botschafter Schimon Stein und Harald Kindermann. Nur bei den einzigen deutschen Worten Megidors, "Partei demokratischer Aufbruch", in der Merkel ihre politische Karriere "bis zur ersten Frau und ersten Ostdeutschen als Bundeskanzlerin" begonnen hatte, nickte sie aufmerksam.
Merkel erwiderte "ganz offen", dass die Ehrung für sie auch eine "Verpflichtung" sei: "Das verspreche ich Ihnen". Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus dürften in Deutschland und in der EU keine Chance mehr bekommen: "Im Namen meines Volkes wurde zerstört und vernichtet, was uns heilig war. Nur indem mein Land, nur wenn Deutschland seine immerwährende Verantwortung für diese schrecklichste Zeit in seiner ganzen Geschichte und für die grausamsten Verbrechen voll und ganz annimmt, können wir die Zukunft gestalten".
Merkel würdigte die Kooperation mit Israel, "die noch ausgebaut werden könnte". Doch dann folgten scharfe Worte zur Lage im Nahen Osten, ohne auch nur eine einzige kritische Silbe zur Politik Israels.
Merkel sprach von einer schwierigen Zeit: "Eine gewählte Hamasregierung, die das Existenzrecht Israels nicht anerkannte, ein Krieg im Libanon im vergangenen Sommer. Und im Iran hetzt die Führung des Landes in unerträglicher Weise gegen Israel. Der iranische Präsident relativiert oder leugnet den Holocaust. Und darüber hinaus lässt der Iran nichts unversucht, um mit seinem Nuklearprogramm die Weltgemeinschaft zu provozieren. Schließlich zeigt die Gefangennahme der 15 britischen Soldaten einmal mehr, mit wem wir es zu tun haben. Ich wiederhole deshalb auch an dieser Stelle, dass Großbritannien die volle Solidarität der Europäischen Union in dieser Angelegenheit genießt, mit Vorrang der unverzüglichen Freilassung der 15 Soldaten." Die Israelis applaudierten.
Noch vor ihrem Treffen mit Präsident Mahmoud Abbas in Ramallah, richtete sie vor dem israelischen Publikum warnende Worte an die Palästinenser. Die müssten die drei Bedingungen des Nahostquartetts (Anerkennung Israels und bestehender Verträge sowie Gewaltverzicht) annehmen. "Ich sage unumwunden: Wir erwarten als Zeichen des Willens von der Hamas die Freilassung des israelischen Soldaten Schalit." Über den Hamas-Premierminister Ismail Hanija sagte Merkel: "Alle Erklärungen des Premierministers Hanija lassen bisher einen Verzicht auf Gewalt vermissen, ebenso ein unzweifelhaftes Bekenntnis zum Existenzrecht Israels, zu dem auch gehört, dass der Beschuss mit Kassamraketen endlich beendet wird."
In der arabischen Welt, mit Saudi Arabien in der Führungsrolle, sei die Bereitschaft gewachsen, den Konflikt zu überwältigen behauptete Merkel. Sie redete von "Bewegung" und einem "Fenster der Gelegenheiten". Gleichwohl sei das Nuklearprogramm des Iran nicht vom Friedensprozess zu trennen: "Vor wenigen Tagen hat der Sicherheitsrat zum zweiten Mal Sanktionen gegen den Iran verhängt. Und zwar einstimmig. Der Beschluss zeigt der Führung in Teheran: Die Weltgemeinschaft akzeptiert die Fortsetzung des Atomprogramms nicht. Es muss verhindert werden, dass das Atomprogramm Irans militärischen Zwecken dient. Der Iran muss sich an die internationalen Regeln halten. Die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft führt dem Iran vor Augen, dass die politische Führung ihr Land immer weiter in die Isolation treibt." Nur Entschlossenheit und Geschlossenheit könne den Iran zum Einlenken bringen. Die Bereitschaft zum Dialog mit Teheran hänge davon ab, dass der Iran seine nuklearen Aktivitäten suspendiere. Noch sei der Iran "weit davon entfernt, seinen Verpflichtungen nachzugehen."
Abschließend, mit viel Betonung auf jedem Wort, sagte die Kanzlerin: "Der Iran sollte sich keine Illusionen machen: Ein nuklear aufgerüsteter Iran ist nicht akzeptabel. Darin sind sich Europa, Amerika, Russland, China und die Staaten der Region einig."
Auch Syrien erhielt deutliche Kanzlerinnenschelte. Vor einem Dialog müsse Damaskus Zeichen geben: "So warten wir unter anderem auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen Syriens mit dem Libanon und auf eine uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Hariri-Tribunal. Leider hat es Damaskus bislang vorgezogen, zu blockieren." Auch Syrien müsse erkennen, dass "der Weg in eine Isolation dem Land auf Dauer in keiner Weise nützt und dass auch hier die Weltgemeinschaft gemeinsam aktiv ist."
(Ulrich W. Sahm, Jerusalem)
Quelle: ntv.de