Dankbarkeit trotz Trauer Drei Jahre nach dem Tsunami
28.11.2007, 11:57 UhrDas "Paca Bene" ist eine Oase in der Wüste der Agonie von Banda Aceh. Das Bistro, das auf dem Dach unter freiem Himmel Speisen und Getränke ausschenkt, liegt eigentlich in einem wenig einladenden Viertel der 350.000-Einwohnerstadt. An den Tischen gibt es nur zwei Sprachen: deutsch und englisch.
Drei Jahre nach dem verheerenden Tsunami, der nach offiziellen Angaben 169.000 Menschen alleine in der Provinzstadt das Leben kostete und innerhalb von wenigen Sekunden fast alles dem Erdboden gleichmachte, ist die Präsenz der internationalen Hilfskräfte allgegenwärtig. Was in den vergangenen rund 1000 Tagen geleistet wurde, ist beachtlich. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden etwa 100.000 Häuser wieder aufgebaut und die Verkehrsinfrastruktur wieder so hergestellt, wie sie vor dem Unglück war. Dennoch ist die Arbeit der Wohltätigkeitsverbände und der teils staatlichen, teils nicht-staatlichen Hilfsorganisationen noch lange nicht zu Ende. Nach wie vor gibt es Gebiete in Banda Aceh, die mit Bildern des zerstörten Deutschlands aus den Tagen nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen sind.
Dass selbst drei Jahre nach dem Unglück, trotz endloser Arbeit, Menschen noch immer unter unvorstellbaren Bedingungen leben müssen, lässt nur erahnen, welche enormen Kräfte hier gewirkt haben müssen. Unser Fahrer erzählt uns, dass die Todeswelle sieben Kilometer in das Landesinnere eindrang und alles mitnahm, was sich ihr in den Weg stellte. Er selbst glaubt, die Arbeit der Hilfskräfte werde noch sieben bis acht Jahre dauern, um Banda Aceh wieder zu einem vollends lebensfähigen Ort zu machen. Denn mit einem reinen Wiederaufbau ist es alleine nicht getan. So haben beispielsweise Deutsche ein Trinkwasserversorgungsnetz in Banda Aceh aufgebaut, das intensiv gewartet werden muss. Immer wieder wird die Gegend durch Erstöße erschüttert, immer wieder kommt es dadurch zu Wasserrohrbrüchen. Auch die Stromversorgung gilt als labil. Die Schulung von geeignetem Personal stellt sich als außerordentlich schwierig dar, weil der durchschnittliche Bildungsstand in der bitterarmen Region im besten Falle mit dem Niveau der vierten Klasse einer deutschen Grundschule zu vergleichen ist. Alleine dieses Engagement wird wohl Jahre dauern.
Doch wer glaubt, dass wegen den unterschiedlichen Kulturen, die Helfer als Besatzer angesehen werden, täuscht sich zutiefst. Die Bevölkerung von Banda Aceh ist den Helfern außerordentlich dankbar. Mit ehrlich gemeinter Höflichkeit und einem einzigartigem Lächeln begegnen die Menschen jenen, die uneigennützig ihr Wissen und ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt haben. Reich geworden ist jedenfalls keiner von den Helfern – höchstens an Erfahrung. Denn Banda Aceh ist sicherlich kein Ort, an dem man Urlaub machen wollte. Der süßliche Geruch des Todes ist zwar gewichen, doch die Stadt hat nichts als tiefe Trauer und Dankbarkeit zu bieten.
Selbst im "Paca Bene", wo die internationalen Helfer nicht selten ihren Tag bei einem kühlen Bier ausklingen lassen, hört der Besucher kein Lachen, er sieht keine Fröhlichkeit; er hört nur dezente Gespräche, die fast an Flüstern erinnern. Doch eines lebt in Banda Aceh sehr vital: es ist die Hoffnung – und die stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Quelle: ntv.de