Klares Ziel, steiniger Weg EU setzt Klimaschutz um
23.01.2008, 07:53 UhrSie haben schon vorab gestöhnt, gejammert und geklagt. Lob spendeten Europas Interessenvertreter nur verhalten für das Gesetzespaket zu Klimaschutz und Energiepolitik, das die EU-Kommission beschließen will. Die Brüsseler Behörde hat einmal mehr versucht, es allen recht zu machen. Und erntet reichlich Kritik.
Forderungen von allen Seiten
Umweltschützer fordern mehr Ehrgeiz bei der Verringerung klimaschädlicher Treibhausgase. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will gleichzeitig den Ausstoß von Kohlendioxid stärker als geplant verringern und der Stahlindustrie größere Verschmutzungsrechte schenken. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, ein ausgewiesener Freund der Atomindustrie, bremst beim Ausbau erneuerbarer Energien aus Sonne, Wind und Wasser. Gewerkschaften und Grüne verlangen einen Klima-Zoll für Waren aus Ländern mit laschem Umweltschutz.
Der Streit um Ziele und Belange ist erbittert. Er reicht bis in die EU-Kommission hinein. Die Beamten der zuständigen Kommissare Stavros Dimas (Umwelt) und Andris Piebalgs (Energie) beäugen sich argwöhnisch. Deren deutscher Kollege Günter Verheugen, in Brüssel zuständig für Industriefragen, mischte sich noch am Wochenende per Interview in die Debatte ein: Er forderte Erleichterungen für Branchen mit besonders hohem Energiebedarf.
Bis ins Detail geregelt
Mit jeder Ausnahme und Sonderregel wird das ohnehin komplizierte Paket noch unübersichtlicher. Es besteht im Wesentlichen aus vier Richtlinienvorschlägen und einem Strategiepapier. Diese Texte regeln manche Dinge - etwa Normen für Biosprit - bis ins Detail. Andere Aspekte - wie mögliche Schutzmechanismen für die europäische Industrie - bleiben in vorliegenden Entwürfen eher vage und verschieben eine endgültige Entscheidung in die Zukunft.
Die grundlegende Formel 20-20-20 ist noch relativ einfach: Bis zum Jahr 2020 will die EU ihren Ausstoß von Treibhausgasen um 20 Prozent verringern. Der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Verbrauch soll von 8,5 Prozent im Jahr 2005 auf dann 20 Prozent steigen, auch mit Hilfe von 10 Prozent Biosprit. Außerdem soll Energie um 20 Prozent wirksamer genutzt werden. Stichwort Energiesparen: Dazu enthält das Paket keine Vorgaben, die Kommission verweist auf frühere und kommende Pläne.
Unterschiedlich verteilt
Kompliziert wird das Paket, weil nicht jedes EU-Land gleichermaßen ein 20-Prozent-Ziel bekommt. Deutschland etwa soll von einer vergleichsweise niedrigen Ausgangsbasis einen Anteil von 18 Prozent erneuerbarer Energien erreichen. Überdurchschnittliche Anstrengungen soll die relativ reiche Bundesrepublik dagegen bei der Verringerung der Treibhausgase machen.
Bei den Emissionen geht die Kommission in ihrem Paket zweigleisig vor: Die Industrie wird nach dem Verursacherprinzip für ihre Abgase zur Kasse gebeten, wobei die Brüsseler Behörde einen europaweiten Handel mit Verschmutzungsrechten vorsieht. Für den übrigen Kohlendioxid-Ausstoß - vor allem von Gebäuden und Verkehr verursacht - bekommt jedes Mitgliedsland eigene Vorgaben. Wirtschaftlich starke Staaten müssen mehr reduzieren, arme Länder dürfen sogar mehr verschmutzen als im Vergleichsjahr 2005.
Manche Kritiker fanden mit ihren Wünschen bereits Gehör in Brüssel. So wurde eine Formel gefunden, die das erfolgreiche Einspeise-Gesetz für erneuerbare Energien in Deutschland und Spanien schützt. Andere Punkte sollen noch in der Kommissionssitzung an diesem Mittwoch endgültig geklärt werden. Und dann kommt das Paket zu den Mitgliedstaaten in den Ministerrat, der sich wiederum mit dem Europa-Parlament einigen muss. Der Ausgang ist offen.
Von Roland Siegloff, dpa
Quelle: ntv.de