Hamburgs "Super-Duper-Koalition" Ein Jahr Schwarz-Grün
06.05.2009, 08:35 UhrAnfangs war die Hamburger Grünen-Politikerin Antje Möller "sehr, sehr skeptisch". Koalieren mit der CDU? Nicht nur im Wahlkampf Anfang 2008, sondern auch danach habe sie "oft genug gesagt, ich sehe nicht, dass das gehen kann", erinnert sich die heutige GAL-Fraktionsvize. Zu weit schienen die Parteien auseinanderzuliegen, sei es in puncto Elbvertiefung, Schulstruktur oder geplantem Kohlekraftwerk. Doch Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten ermöglichte ein Bündnis, das am 7. Mai vor einem Jahr in der Hansestadt die Regierungsgeschäfte übernahm - und inzwischen Grüne wie Möller, aber auch CDU-Politiker eine positive Bilanz ziehen lässt.
CDU-Fraktionschef Frank Schira spricht sogar schmunzelnd von einer "Super-Duper-Koalition", die politisch wie zwischenmenschlich "ausgesprochen gut" funktioniere und in der "auch problematische Geschichten nicht ausgeklammert, sondern miteinander diskutiert" würden. Beide Parteien seien weit davon entfernt, sich "gegenseitig zu überzeugen". Aber sie kämen eben "ohne ideologiehaften Ballast" aus und gingen die Dinge pragmatisch an.
Kompromisse und Kontroversen
So rüttelt der Koalitionsvertrag nicht an der geplanten Elbvertiefung, aber verbindet sie mit einem ökologischen Ausgleichsfonds. Das Kohlekraftwerk in Moorburg ist zwar genehmigt, aber von GAL-Bausenatorin Anja Hajduk mit so hohen Umweltauflagen versehen, dass Vattenfall diese als weitgehende "Verhinderung" des Betriebs auffasst. Die schulpolitische Kompromisslinie zwischen der "Schule für alle" und weiterführenden Schulen ab der fünften Klasse, nämlich die ab 2010 startende sechsjährige Primarschule, verficht neben GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch auch CDU-Bürgermeister Ole von Beust mit Verve.
GAL-Fraktionsvize Möller schätzt das konzentrierte gemeinsame "Abarbeiten des Koalitionsvertrags" auf einer "sehr sachlichen Arbeitsebene". Dass dabei zwischen einstigen politischen Gegnern auch eine gewisse "Lockerheit" entstehe, sei ein angenehmer Nebeneffekt. "Die Basis ist die Bereitschaft beider Seiten, diesen Vertrag ernst zu nehmen, dadurch kann das Vertrauen entstehen."
Das ändere allerdings nichts an mancher Kontroverse zwischen den Koalitionspartnern, betont Innenpolitikerin Möller. So werde sie sich im anstehenden Bundestagswahlkampf sicher trefflich mit CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus über das Thema Bundeswehreinsatz im Innern streiten können. Aber das sei eben "nichts, was wir in Hamburg zu entscheiden haben", sagt Möller. Wie sie sieht auch von Beust grundsätzliche Differenzen etwa in puncto Atomkraft als Hindernisse für Schwarz-Grün auf Bundesebene.
Bemühen um Harmonie
Die in der Hansestadt zu treffenden schwierigen Entscheidungen hingegen trage Schwarz-Grün geschlossen, attestierte Politologe Friedbert Rüb dem Bündnis in einem Interview mit der "Hamburger Morgenpost". Interne Absprachen und Auftritt seien im Vergleich mit der großen Koalition in Berlin "sehr professionell". Je besser das "Experiment" in Hamburg laufe, "desto wahrscheinlicher ist, dass Schwarz-Grün auch auf Bundesebene denkbar wäre". SPD-Oppositionsführer Michael Neumann sprach in einem Zeitungsinterview von einem auffälligen schwarz-grünen Bemühen um Harmonie.
Dass Schwarz-Grün keine reine Schönwetterkoalition ist, dafür sorgt neben Schulreform-Protesten oder einer Explosion der Kosten für die geplante Elbphilharmonie schon die Finanzkrise. Das Einbrechen des Welthandels trifft die Hafenstadt besonders, zudem taumelt die HSH Nordbank. Schwarz-Grün reagierte mit Milliardenhilfen für die Landesbank und zog Investitionen in Hafen, Schulen sowie Klimaschutz vor.
Ökologie dürfe man in wirtschaftlichen Krisenzeiten nicht hintanstellen, betont CDU-Fraktionschef Schira, sicher zur Freude der grünen Koalitionspartner. Denen steht er nur noch gelegentlich als Kontrahent gegenüber - und zwar auf dem Tennisplatz, wo er sich seit einem Jahr mit einigen GAL-Abgeordneten trifft. "Und da reden wir nicht über Politik."
Quelle: ntv.de, Deike Stolz, AFP