Isolation in der brasilianischen Botschaft Ein Tag im Leben Zelayas
03.10.2009, 12:14 Uhr
Honduras aus dem Amt geputschter Präsident Zelaya versucht aus der brasilianischen Botschaft heraus, wieder an die Macht zu kommen.
(Foto: AP)
Jede Nacht gegen 02.00 Uhr steht Manuel Zelaya auf und macht einen kurzen Rundgang durch die brasilianische Botschaft in Tegucigalpa. Erst wenn sich der gestürzte Präsident von Honduras versichert hat, dass alles ruhig ist, kehrt er in das kleine Büro zurück, das ihm als Arbeitsraum und Schlafzimmer dient, und legt sich wieder auf die am Boden ausgebreitete Matratze. Zelaya schläft unter den wachsamen Augen von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, dessen Porträt an der Wand hängt. In wenigen Stunden wird für ihn ein neuer Tag beginnen, der wahrscheinlich wenig Neues bringt.
Seit beinahe zwei Wochen lebt Zelaya nun in Brasiliens Botschaft in der honduranischen Hauptstadt. Das Militär hatte den Präsidenten Ende Juni aus dem Amt geputscht und außer Landes gebracht, am 21. September kehrte Zelaya heimlich und völlig überraschend in das mittelamerikanische Land zurück. Das Leben, das Zelaya seitdem in der Botschaft führt, ähnelt ein bisschen dem Alltag in einem Gefängnis.
Nur wenige haben Zutritt
Honduranische Soldaten haben auf Anweisung der Putsch-Regierung des Übergangspräsidenten Roberto Micheletti das Botschaftsgebäude umstellt, nur wenige Menschen haben Zutritt. Die honduranischen Botschaftsangestellten etwa gehören nicht dazu, vom brasilianischen Personal ist nur eine Minimalbesetzung um Geschäftsträger Francisco Catunda geblieben. Essen, Kleider und Hygiene-Artikel, die für Zelaya angeliefert werden, werden von den Soldaten penibel untersucht. Spürhunde beschnüffeln alle Mitbringsel.
Der Tag in der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft beginnt für Zelaya, seine Frau Xiomara Castro, ihre etwa 50 Unterstützer und knapp zehn Journalisten mit einem einfachen Frühstück. Dann geht jeder seiner Beschäftigung nach. "Jeder hat einen anderen Tagesablauf", sagt Doris García, unter Zelaya Frauenministerin in Honduras. Sie ist eine der sieben Frauen, die derzeit in der Botschaft wohnen.
Den Cowboyhut immer auf dem Kopf
Die meisten Zeit verbringt der 57-jährige Zelaya in seinem kleinen Arbeits- und Schlafzimmer. Hier führt er in seinem unablässigen Kampf, in Honduras wieder an die Macht zu gelangen, Telefongespräche mit ausländischen Staatschefs und Journalisten. Ab und zu meldet sich Besuch an. Bislang kamen bereits ein Bischof, mehrere honduranische Präsidentschaftskandidaten, brasilianische Abgeordnete und ein Abgesandter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Hin und wieder schlendert Zelaya durch den Innenhof der Botschaft, umgeben von seinen engen Vertrauten. Den weißen Cowboyhut, der zu seinem Markenzeichen geworden ist, trägt er dabei stets auf dem Kopf.
Kulinarisch beschränkt sich der gestürzte Präsident auf die traditionelle einheimische Küche: Bohnen, Reis, Avocado, Käse. Das Essen bekommen Zelaya und seine Frau jeden Tag von ihrer Tochter Zoe geliefert, die vor kurzem einen Sohn auf die Welt gebracht hat. Sein neugeborenes Enkelkind Juan Manuel hat Zelaya bislang noch nicht in die Arme schließen können. Das Essen seiner Anhänger bringt täglich ein UN-Mitarbeiter, die Journalisten lassen sich von Restaurants beliefern.
Zelayas Anhänger - Anfangs hatten sich etwas 300 von ihnen in der Botschaft gedrängt - halten den Hof sauber, kümmern sich um den Garten und treiben hin und wieder Sport. Die Präsidentengattin nennt sie liebevoll "meine Kinder". Die Journalisten arbeiten und übernachten in einem großen Raum, von dem aus sie ihre Artikel und Fotos in alle Welt verschicken. Große Bequemlichkeiten gibt es nicht, manche schlafen in Ermangelung einer Matratze gar auf dem Fußboden.
Im Schlafanzug legt sich in der Botschaft niemand zur Ruhe - aus Angst vor einer Erstürmung des Gebäudes durch Soldaten. Und so muss sich Zelaya gar nicht erst umziehen, wenn er sich zu seinem nächtlichen Kontrollgang von der Matraze am Boden erhebt.
Quelle: ntv.de, Orlando Sierra, AFP