Kaczynski-Zwillinge Einer geht, einer bleibt
22.10.2007, 14:54 UhrEiner der Kaczynski-Zwillinge ist abgewählt, der Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski unterlag in der vorgezogenen Parlamentswahl seinem Kontrahenten Donald Tusk. Als Staatspräsident regiert aber weiterhin sein Bruder Lech - mit weitreichenden Kompetenzen.
Als höchster Repräsentant der Republik steht der Staatspräsident, der auf fünf Jahre direkt vom Volk gewählt wird, an der Spitze der Exekutive. Neben der Aufgabe, sein Land nach außen zu repräsentieren, ist er für die Ratifizierung von Gesetzen und Verträgen mit anderen Staaten zuständig und arbeitet in dieser Funktion eng mit dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister zusammen. Er nominiert den Ministerpräsidenten, der als Chef dem Ministerrat, der Regierung Polens, vorsteht.
Anders als in Deutschland hat der polnische Staatspräsident reale Kompetenzen, die von einem innerpolitischen Veto-Recht bis zu Personalfragen reichen. Auch kann er die Grundzüge der Außenpolitik mit gestalten.
Daher schätzt der Polen-Experte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin gegenüber n-tv.de den Regierungswechsel nüchtern ein: "Es ist keine Wende, aber ein Neuanfang".
Vieles muss korrigiert werden
Nach den Neuwahlen werde sich in der polnischen Politik einiges ändern, auch wenn der Wahlsieger, die liberale Bürgerplattform, "zum Teil nicht weit entfernt von der Kaczynski-Politik ist", ist sich Lang sicher. Die Herausforderungen der neuen Regierung werden seiner Einschätzung nach darin bestehen, entstandene Gräben zuzuschütten und auf Opposition und gesellschaftliche Gruppen zuzugehen. Denn sowohl innen- als auch außenpolitisch gibt es viel zu korrigieren. Lang vermutet sogar, dass zahlreiche Untersuchungskommissionen eingerichtet werden."
Jaroslaw Kaczynski wird mit Sicherheit als Chef der stärksten Oppositionspartei weiterhin versuchen, aktiv in der Politik mitzumischen. Gerade auf den Feldern Korruption und außenpolitischen Fragen vermutet Lang Bemühungen, die neue Regierung beispielsweise mit dem Vorwurf der Deutschlandfreundlichkeit ins Straucheln zu bringen. "Wenn Jaroslaw Kaczynski versucht, Einfluss auf die Politik Lechs zu bekommen, wird es aber ein Balanceakt werden ", so Lang.
Die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehung unter der neuen Regierung bewertet Lang positiv: "Das Klima wird sich verbessern". Man werde versuchen, nüchterner zu diskutieren und Themen wie Nachbarschaftspolitik in den Vordergrund zu rücken. Aber obwohl das kritische Europathema erstmal vom Tisch sei, gäbe es trotzdem noch weitere Steine des Anstoßes, wie zum Beispiel die Gaspipeline und das Zentrum für Vertreibung.
Quelle: ntv.de