"Das war's" Endspurt auf letzter Baustelle
07.12.2005, 10:09 UhrWie ein ausgerollter Teppichstreifen zieht sich die Autobahn 20 durch das Trebeltal. Die schwarze, 17 Kilometer lange Betonpiste auf der letzten Baustelle der Ostseeautobahn ist seit Mitte November fertig - die Abnahme liegt bereits hinter den Firmen. Für die nächsten Tage haben nun die "Dekorateure" das Sagen: Straßenmarkierer, Schutzplankenmonteure und Beschilderungsfirmen machen aus dem schwarzen Asphaltband eine richtige Autobahn. Nach elf Jahren Bauzeit wird am 7. Dezember an der Grenze zwischen Vorpommern und Mecklenburg das letzte Stück der 324 Kilometer langen Fernstraße eröffnet. Dann heißt es: Freie Fahrt von Lübeck bis Stettin.
Bauingenieur Holger Münch vom Rostocker Ingenieurbüro Dr. Herold AG geht auf Inspektionsfahrt - als Geisterfahrer auf der falschen Fahrbahnseite. "Noch ist das kein Problem", schmunzelt er. Vorbei geht es am Ibitzgrund, einem Moor. "Auf sieben Meter Tiefe musste hier der Boden ausgetauscht werden – 210.000 Kubikmeter." Vorbei geht es auch an Otterschutzzäunen und Blendschutzwänden. Der 33-Jährige kennt auf dieser Baustelle jeden Meter. Fast sein gesamtes Berufsleben hat er bisher mit dem Bau der Trasse zugebracht. Zuerst kam das Teilstück bei Wismar, später der Abschnitt Rostock-Sanitz und zum Schluss der Abschnitt zwischen Trebeltal und Grimmen. Eventuell geht es auf Rügen mit dem Zubringer weiter. "Aber so richtig Autobahn ist das nicht mehr."
Nach Angaben der Bundes-Planungsgesellschaft Deges flossen rund 1,9 Milliarden Euro in den Bau der Autobahn mit 320 Über- und Unterführungsbauwerken - von der Talbrücke bis zum Krötentunnel. Vor allem die 14 Autobahnbrücken mit einer Gesamtlänge von mehr als 8,5 Kilometern gelten als ingenieurstechnische Meisterleistung. Volker Kock, Deges-Bereichsleiter für die A 20, betreut das Projekt seit den ersten Planungen 1992 bis zum Abschluss.
Vor allem der wirtschaftsschwache Osten Mecklenburg-Vorpommerns erhofft sich von der A 20 ein kleines Wirtschaftswunder. Anfang November haben die Bauarbeiten für das Gewerbegebiet Pommerndreieck bei Grimmen begonnen. "Die A 20 wird den Verkehr in Richtung Osten beschleunigen", sagt der Greifswalder Wirtschaftsgeograf Helmut Klüter. Während vor allem die A 20-nahen Gebiete von der Autobahn profitieren werden, könnten Gebiete im östlichen Uecker-Randow-Kreis und im südlichen Kreis Demmin durch die Konzentration des Verkehrs auf die Autobahn Nachteile zu spüren bekommen.
Inzwischen hat Ingenieur Münch die Schutzplankenmonteure erreicht. Schneegraupel schlägt den Männern ins Gesicht. Trotzdem stampft die Ramme unter den Händen von Ronald Stenzel mit einem Druck von 150 bar die Pfosten für die Planken in den Boden. "800 Meter schaffen wir mit fünf Mitarbeitern am Tag", erklärt Stenzel, der bei der Römmling Montage GmbH Kavelstorf beschäftigt ist. Die Firma wird weiterhin von der Autobahn profitieren. "Die Leitplanken müssen gewartet und repariert werden", erklärt er, während seine Kollegen Ingo Littendorf und Andreas Maeth mit Pressluftbohrern die Planken montieren.
Auf der Inspektionsfahrt geht es zu den Straßenmarkierern, die den so genannten Roadliner unter einer Brücke geparkt haben. Die nasse Straße macht ein Weiterarbeiten momentan unmöglich. Damit die weiße Farbe haftet, muss der Asphalt trocken sein. "Aus diesen Gründen brauchen wir auch noch die Zeit bis Anfang Dezember", sagt Münch und rollt mit dem Geländewagen weiter. Der Bauingenieur zeigt auf Kabel, die aus der Erde ragen. "Hier kommen die Notrufsäulen hin." Auch die Fundamente für die blauen Autobahnschilder sind fertig. Noch drei Kilometer, dann stoppt Münch den Wagen. Ende der Inspektionsfahrt: "Das war's".
(von Martina Rathke, dpa)
Quelle: ntv.de