Allzweckwaffe oder Schnüffelmittel? Ermittlungen mit Geruchsproben
28.05.2007, 12:35 UhrViele Menschen fühlten sich an Szenen aus dem Oscar-prämierten Film "Das Leben der anderen" erinnert. Darin ist zu sehen, wie die Stasi Geruchsproben möglicher Dissidenten sammelte und in Einweckgläsern lagerte. Als zuletzt bei einer Razzia Geruchsmuster einiger mutmaßlich militanter G8-Kritiker genommen wurden, entbrannte eine Debatte um die Speicherung und Prüfung derartiger Proben. Wie die Methode im Alltag der Polizei angewandt wird, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2003. In Nordrhein-Westfalen überführten unter anderem Geruchsproben einen Taxiräuber.
Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums war im November 2003 ein Taxifahrer in Münster während einer nächtlichen Tour von einem Fahrgast überfallen und mit einem Messer bedroht worden. Als der Täter auf den Fahrer einstechen wollte, griff dieser reflexartig in die Klinge und riss das Messer an sich. Der Täter konnte zunächst entkommen, wurde jedoch wenig später festgenommen.
Dennoch drohte die Überführung des Täters zu scheitern. Der Verdacht konnte zunächst nicht erhärtet werden. Auf dem Messer fanden sich keine Fingerabdrücke, die Abdrücke auf dem Taxi-Rücksitz reichten für eine Verurteilung nicht aus. Erst Spürhunde aus der Ausbildungsstätte im westfälischen Schloss Holte-Stukenbrock lieferten ein entscheidendes Indiz: Im Labor erkannten drei Tiere unabhängig voneinander die Geruchsspuren am Tatmesser als den zuvor über den Handschweiß auf einem Metallröhrchen hinterlassenen "Duft" des Verdächtigen. Daraufhin wurde der Jugendliche im Juli 2004 vom Amtsgericht Münster zu fünf Jahren Haft wegen eines räuberischen Angriffs verurteilt. Im Berufungsverfahren bestätigte das Landgericht Münster das Urteil.
"Verzerrt wiedergegeben"
Einen Vergleich mit Stasi-Methoden kann der Leiter des Ausbildungszentrums, Günther Bonke, nicht nachvollziehen. "Ich bin entsetzt, dass es so verzerrt wiedergegeben wurde", sagt er. Zu Abgleichen komme es nur, wenn ein Strafverfahren laufe, eine konspirative Beschaffung von Gerüchen gebe es nicht. Zudem sei die Vernichtung der Proben nach einem Abgleich vorgeschrieben. Das bestätigt NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP). "Es darf auch in Zukunft keine Sammlung von Geruchsproben geben", sagt der Minister. Wer die Praxis als Stasi-Methode bezeichne, beleidige alle Polizisten.
Damit zielt Wolf auf Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der eine solche Parallele gezogen hatte. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hatte von einem "Schnüffelstaat in Perfektion" gesprochen. Anders fiel die Bewertung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) aus. Für ihn ist das Verfahren ein Mittel, um in bestimmten Fällen Tatverdächtige zu identifizieren. Eine Verbindung zum G8-Gipfel nannte er "relativ an den Haaren herbeigezogen". Bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hinterließ die Praxis "ein sehr ungutes Gefühl". Sie betonte aber, das Verfahren stehe in Übereinstimmung mit dem Gesetz.
Polizist Bonke lässt an der Qualität des Hundetrainings keinen Zweifel aufkommen. "Es ist die langwierigste Hundeausbildung bei der Polizei", erzählt er. Tiere würden nur in vertrauten Räumen in Schloss Holte-Stukenbrock eingesetzt, um nicht abgelenkt zu werden. Das Verfahren sei auch nicht unsicherer als andere Methoden. Ein Mathematiker der Universität Paderborn habe errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers bei 1 zu 1,2 Millionen liege. "Das ist vergleichbar mit anderen forensischen Untersuchungsmethoden", sagt Bonke.
Quelle: ntv.de