Steinbach sieht schwarzes Loch in Ägypten "Es ist ein langer Weg"
11.02.2011, 11:31 Uhr
Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo protestieren Zehntausende.
(Foto: dpa)
Der Nahostexperte Udo Steinbach hält einen raschen Sturz von Ägyptens Präsident Mubarak für die einzige Lösung in Ägypten. Ein Eingreifen der Generäle sei keine Option, sagt er bei n-tv. Dies könne zu vielen Toten führen, meint der Islamwissenschaftler. "Das erinnert an Peking 1989, und ich glaube, das würden die Generäle nicht wagen." Sollte in Ägypten die Demokratie siegen, würde dies eine weitreichende Signalwirkung für die arabische Welt haben.
n-tv: Nach dem Nicht-Rücktritt Husni Mubaraks könnte das Militär die Macht übernehmen. Wäre das eine Option für den Übergang?
Steinbach: Nein, das wäre keine Option, das müssen wir wohl so klar sagen. Denn natürlich würde eine reine Machtübernahme durch ein paar Generäle die Demonstranten nicht befriedigen, vielleicht noch mehr aufbringen. Sie würden weitermachen. Also: Machtübernahme durch die Generäle, Putsch, das hieße ein aktives Eingreifen der Truppen, und nun stellen Sie sich vor: Truppen greifen auf dem Tahrir-Platz ein, wie viele Tote das gibt. Das erinnert an Peking 1989, und ich glaube, das würden die Generäle nicht wagen. Sie würden ja durchaus nicht nur das Ausland befremden, sondern sie würden einen tiefen Graben aufwerfen zwischen dem Militär und der Bevölkerung, die ihre Angehörigen im Militär haben und ihre Angehörigen zugleich auf dem Tahrir-Platz haben.
Mal unabhängig davon, ob Mubarak mitspielt oder nicht – sehen Sie denn den besten Weg überhaupt in einem raschen Sturz Mubaraks?
Ja. Das ist, glaube ich, die einzige Alternative, die bleibt. Ein rascher Sturz, ein glaubwürdiger Nachfolger, wer immer das ist – darüber können wir jetzt nicht spekulieren – und einige spektakuläre politische Taten. Die erste spektakuläre politische Tat, die erwartet würde, die die Demonstranten wahrscheinlich auch zunächst einmal von der Straße bringen würde, wäre die Aufhebung des Ausnahmezustandes.
Würden Sie denn der Einschätzung folgen, dass jetzt mit dem Machtverlust der Despoten in der arabischen Welt auch der politische Islamismus an Einfluss verliert?

Udo Steinbach lehrt am Zentrum für Nah- und Mitteloststudien der Universität Freiburg.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Ja, das sehe ich so. Wenn wir nach Tunis blicken – wir haben von den Islamisten wenig erlebt. Ähnliches gilt jetzt auch für Ägypten. Politische weltanschauliche Pluralität in den arabischen Staaten würde bedeuten, dass die Moslem-Brüder, die Islamisten sozusagen, das Monopol der Opposition, das Monopol der Meinungsbildung verlieren in einem pluralistischen System. Ich glaube, nirgendwo in der arabischen Welt ist eine Entwicklung wie in Iran angesagt, damals, als eine Protestbewegung von den Mullahs übernommen worden ist.
Sehen Sie die Chance für Ägypten, sich zu einer richtigen Demokratie zu entwickeln? Welches Signal ginge davon an die arabische Welt aus?
Wenn es dazu käme, wäre das natürlich ein Signal, das weitestreichende Wirkung hätte. Ägypten ist immer die Macht in der Mitte der arabischen Welt gewesen. Was in Ägypten geschah, war Mode, vom Fernsehen über den Film bis zum politischen System. Frage ist nur: Werden die Ägypter es schaffen? Denn sie blicken in ein schwarzes politisches Loch. Wer ist die Opposition, wer kann mit wem, wo sind politische Parteien? All das muss sich erst herausbilden. Also – es ist zumindest ein langer Weg in Richtung auf eine Demokratie, die irgendwie geartet ist nach dem Muster europäischer Demokratie.
Quelle: ntv.de