Prozess in Würzburg Fahnenflüchtiger vor Kriegsgericht
02.03.2007, 09:14 UhrAgustin Aguayo möchte nie wieder in den Krieg ziehen. "Ich kann diese Belastung meines Gewissens nicht ertragen", erklärte der in Schweinfurt stationierte US-Soldat im Herbst vergangenen Jahres seinen Vorgesetzten. Eigentlich sollte Aguayo im September 2006 zum zweiten Mal in den Irak geschickt werden. Doch der heute 35-Jährige beging Fahnenflucht.
"Selbst wenn ich dort Küchendienst machen sollte oder Toiletten säubere, würde ich immer noch den Militäreinsatz unterstützen, den ich ablehne", begründete der Soldat seinen Entschluss. Vom kommenden Dienstag an wird dem Sanitäter deshalb der Prozess vor einem amerikanischen Militärgericht in Würzburg gemacht. Sieben Jahre Haft drohen dem Kriegsdienstverweigerer, dessen Fall in Deutschland seit Beginn des Irak-Krieges bislang einmalig ist.
Seit rund drei Jahren kämpft der Vater von elfjährigen Zwillingsmädchen gemeinsam mit verschiedenen Friedensgruppen darum, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden. Im Jahr 2003 ging Aguayo zur Armee. Nach der Grundausbildung kam er als Sanitäter mit seiner Einheit nach Schweinfurt. Ein Jahr später musste Aguayo in den Irak, obwohl er schon vor dem Einsatz einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt hatte. Das Militär lehnte den Antrag ohne Begründung ab.
"Aguayo wollte seinem Land dienen, deshalb ist er zum Militär gegangen", sagt Rudi Friedrich vom Offenbacher Verein Connection, der sich für ein weltweites Recht auf Kriegsdienstverweigerung einsetzt. Dass sich ein Soldat, der freiwillig bei den Streitkräften ist, später gegen den Dienst an der Waffe entscheidet, sei einer Entschließung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zufolge möglich und sollte Beachtung finden. "Also muss Aguayo als Verweigerer anerkannt werden", fordert Friedrich.
Im August 2004 klagte der Sanitäter gegen die Militärentscheidung. Zwei Jahre später lehnte ein amerikanisches Gericht die Klage ab. Aguayo ging in Berufung. Unterdessen sollte seine Einheit im September 2006 erneut in den Irak - Aguayo weigerte sich und verließ unerlaubt seine Truppe. "Ich glaube, dass die Teilnahme an diesem Militäreinsatz grundsätzlich falsch wäre. (...) Wenn ich es täte, wäre ich Teil von organisiertem Töten und würde den Kriegseinsatz stillschweigend dulden", teilte er in einer Stellungnahme mit. Angst vor dem Tod habe er nicht. Aber sein Glaube und seine religiöse Erziehung erlaubten es nicht, Menschen zu töten.
"Es gab schon bei seinem ersten Irak-Einsatz klare Anzeichen, dass er ein Kriegsdienstverweigerer ist", sagt Friedrich. Bei Wachdiensten habe Aguayo beispielsweise sein Gewehr stets ungeladen getragen, weil er nicht schießen wollte. Obwohl Aguayo gewusst habe, welche Strafen ihm als Deserteur drohen, verweigerte er den Dienst. "Ich würde viel eher die Konsequenzen für das Unterlassen einer Handlung in Kauf nehmen (...), als Teil irgendeiner Kriegstätigkeit zu sein", kündigte er vor seiner Fahnenflucht an.
Da niemand die Gewissensentscheidung des damals 34-Jährigen ernst nahm, türmte der Sanitäter im September aus seiner Einheit. Rund einen Monat später stellte er sich freiwillig in den USA den Behörden. Daraufhin landete er in einem Militärgefängnis in Mannheim und wurde angeklagt. Vor knapp zwei Wochen lehnte es ein Gericht in Washington endgültig ab, den 35-Jährigen als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen und machte damit den Weg für ein Strafverfahren frei.
(Angelika Röpcke, dpa)
Quelle: ntv.de