Dossier

Warnung vorm "Sarkozyraptor" Frankreich wählt wieder

Fünf Wochen nach der Präsidentenwahl gehen die Franzosen am Sonntag erneut zu den Urnen, um das Parlament zu wählen. Doch anders als im Mai ist von Spannung nichts zu spüren. Denn der neue Präsident Nicolas Sarkozy geht mit seinem Regierungsbündnis nach allen Umfragen einem überwältigenden Wahlsieg entgegen. Für die Opposition geht es ums politische Überleben. "Sarkozyraptor" nennt die linke Zeitung "Libration" den konservativen Präsidenten bereits: einen alles verschlingenden "politischen Raubsaurier".

Dank des Mehrheitswahlrechts kann Sarkozys Bündnis aus UMP und Neuem Zentrum dem Institut Ipsos zufolge in der Nationalversammlung mit 382 bis 430 der 577 Mandate rechnen. 2002 hatte die Rechte 399 Sitze gewonnen. Sozialisten (PS), Grüne und Kommunisten müssen sich nach der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage mit 115 bis 158 Sitzen begnügen. Die Demokratische Bewegung des Zentrumspolitikers Franois Bayrou wäre mit einem bis sechs Sitzen kaum sichtbar. Verzweifelt ruft die Opposition die Wähler auf, Sarkozy beim Urnengang am 10. und 17. Juni nicht alle Macht in die Hand zu geben. "Wir haben die Wahl zwischen demokratischen Gleichgewicht und politischem Absolutismus", warnt der sozialistische Altpremier Laurent Fabius.

Sarkozy schwebt nach seinem Wahlsieg über die Sozialistin Sgolne Royal "im Zustand der Gnade". Das kommt nicht von Ungefähr: Ganz gegen die Tradition des zurückhaltenden Landesvaters geht er auf nahezu allen politischen Feldern die Probleme gleich an - zumindest verbal. Er trifft sich im Stundentakt mit Gewerkschaftern und Verbandsfunktionären, Staatschefs und Umweltschützern. Und er hämmert dabei immer eine Botschaft in die Medien: "Ich packe es an. Aber zum Erfolg brauche ich eine klare Mehrheit im Parlament." Das zieht.

Gleichzeitig hat Sarkozy mit seiner "Regierung der Öffnung" den linken Kritikern den Wind aus den Segeln genommen, die monatelang das Schreckgespenst eines machtgierigen rechten Diktators an die Wand malten. Die Ernennung des sozialistischen Menschenrechtlers Bernard Kouchner zum Außenminister und des linken Präsidenten der Armenhilfe-Bewegung Emmaus zum Hochkommissar für Solidarität mit den Armen beruhigen die Wähler. Die Umfragewerte sind so gut, dass die Regierung um die Mobilisierung ihrer Wähler fürchtet.

"Die Linke, ein Scherbenhaufen", konstatiert der Kommentator Alain Duhamel. Die Sozialisten sind zwischen Sozialdemokraten und Staatssozialisten völlig zerstritten und warten den Wahlausgang ab, um intern abzurechnen und sich neu zu positionieren. Bitter büßen muss es Parteichef Franois Hollande. Als der Lebensgefährte Royals zum großen Wahlkampfauftritt rief, hatten alle "Parteielefanten" andere Termine. Hollande will nach der Parlamentswahl abtreten und Royal die Parteiführung überlassen - als Sprungbrett zur Präsidentenwahl 2012. Welche Chancen sie gegen ihre Widersacher hat, wird auch der regionale Ausgang der Parlamentswahl bestimmen.

Für Kommunisten, Trotzkisten, Grüne und Nationale Front geht es bei der Wahl vor allem um die Sanierung der Parteikassen nach dem teuren verlorenen Präsidentenwahlkampf. Denn jede Wählerstimme bringt Geld vom Staat und alle hatten sie erheblich schlechter abgeschnitten als kalkuliert. Weil ihre Wähler scharenweise zu Sarkozy überliefen, erwogen die Kommunisten sogar den Verkauf ihrer von Mythen umwobenen Kunstschätze. "Finanzkrise bei der KPF", titelte der "Figaro" am Mittwoch schadenfroh. Als sei die Wahl schon gelaufen.

Hans-Hermann Nikolei, dpa

Quelle: ntv.de

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