Dossier

Hutu und Tutsi vereint Friedensdorf in Burundi

Christine Nsabimana gehört zu den ersten Hutu in Burundi, die den Schritt in eine neue Zukunft nach Jahren im Flüchtlingslager und den Erfahrungen des blutigen Bürgerkriegs gewagt hat. Seit Mitte August lebt sie in einem einfachen Häuschen in Muriza in der ostburundischen Provinz Ruyiga. Zu ihren Nachbarn gehört Monique Nahimana, die den Tutsi angehört.

In Burundi, wo seit Ausbruch des Bürgerkriegs Mitte der 90er Jahre und ethnischen Massakern Hutu und Tutsi fast überall in getrennten Dörfern und Siedlungsgebieten leben, ist das eine Seltenheit. Muriza, ein vom UN-Hilfswerk für Flüchtlinge (UNHCR) initiiertes Friedensdorf, soll Modell stehen für eine bessere, friedlichere Zukunft der Volksgruppen in dem kleinen zentralafrikanischen Staat.

Friedliches Miteinander

Die 45 Jahre alte Christine Nsabimana ist Witwe - ihr Mann und fünf ihrer Kinder wurden 1994 getötet, mit Macheten regelrecht zerhackt. Die Täter waren Tutsi. Hass auf Menschen wie ihre Tutsi-Nachbarin Monique Nahimana verspürt sie dennoch nicht, vor allem da sie weiß, dass der Mann der 60-jährigen im Jahr 1993 ähnlich grausam getötet wurde, von Hutu-Kämpfern.

Es ist kein Zufall, dass 95 Prozent der Haushalte in Muriza nur aus Frauen und Kindern bestehen. Die meisten Frauen sind Witwen, deren Männer im Bürgerkrieg getötet wurden. "Das Dorf soll ein Zuhause für diejenigen werden, die besonders hilfsbedürftig und verwundbar sind", sagt Tony Garcia-Carranza, Leiter der UNHCR-Büros in Ruyiga.

Die Schrecken der Vergangenheit sind unter den Dorfbewohnern kein Tabuthema. "Ja, wir sprechen über die Morde, die geschehen sind, wie wir geflohen sind und uns versteckt haben", betont Nahimana und fügt hinzu: "Es war nicht nur eine Gruppe, die fliehen musste, sondern beide, Hutu und Tutsi." Sie sagt, sie sei froh gewesen, als sie hörte, dass sie in ihrem neuen Dorf mit Hutu-Familien leben würde. "Für uns ist das eine Möglichkeit, zusammenzuleben wie vor der Krise."

Bürgerkrieg mit 300.000 Toten

Die "Krise" - das ist der Bürgerkrieg, in dem rund 300.000 Menschen getötet wurden. Das Morden zwischen Tutsi und Hutu in Burundi blieb angesichts des Völkermords im benachbarten Ruanda im gleichen Zeitraum von der internationalen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Dabei dauerte der Konflikt in Burundi viel länger an. Offiziell wurde der Bürgerkrieg 2002 beendet, doch erst in diesem Jahr entschloss sich die letzte noch aktive Hutu-Rebellenmiliz FNL, Friedensgespräche aufzunehmen.

Die Menschen in Muriza sind gekommen, um zu bleiben. Einige Einwohner haben Bananenbäume in den Gärten hinter ihren kleinen Häusern gepflanzt, andere träumen von einem kleinen Geschäft oder wollen Ziegen züchten. Die Kinder gehen in eine nahe gelegene Schule. Bisher sind 75 der 98 Häuser bewohnt. Garcia-Carranza sucht noch nach Hutu-Familien, die sich in Muriza niederlassen wollen. Für einige Hutu, die aus den tansanischen Flüchtlingslagern nach Burundi zurückkehren, ist der Gedanke eines Zusammenlebens mit Tutsi noch suspekt, deutet Nsabimana an.

"Wie eine große Familie"

Sie hat den Schritt nicht bereut. "Die Kinder beider Gruppen spielen miteinander und denken überhaupt nicht an die Geschichte oder ethnische Gruppen", lächelt sie zufrieden. "Sie spielen zusammen, sie gehen zusammen zur Schule oder suchen Feuerholz." Nahimana nickt zustimmend. "Wir teilen hier alles. Es ist wie eine große Familie."

Quelle: ntv.de, Eva Krafczyk, dpa

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