Job-Killer oder nicht? Für und wider Mindestlohn
17.06.2007, 10:40 UhrSeit mehreren Monaten streiten Union und SPD über die Einführung von Mindestlöhnen. An diesem Montagabend soll es beim Treffen der Koalitionsspitzen endlich zum Durchbruch kommen. Noch liegen die Positionen weit auseinander:
Position von SPD und Gewerkschaften
Die Sozialdemokraten sehen im Mindestlohn ein wirksames Mittel, ein vernünftiges Lebensniveau zu garantieren. Die SPD will außerdem mit dem Mindestlohn durchsetzen, dass ein Arbeitender mehr verdient als ein Arbeitsloser.
Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Gustav Horn, ist der Ansicht, dass Mindestlöhne ein probates Mittel sind, die schwache Verhandlungsposition von Arbeitslosen zu stärken. "Das kann man so nicht sagen", hält der Arbeitsmarktexperte Ulrich Walwei dagegen. Der Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist der Meinung, dass "wettbewerbsschwächere Bewerber bei einem relativ hohen Mindestlohn schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt" haben. Das IAB unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit gilt als unabhängig.
Die Böckler-Stiftung führt dagegen an, dass die Arbeitslosenquote bei gering Qualifizierten deutlich höher sei als in anderen europäischen Ländern mit Mindestlöhnen. Die von der Union befürchtete Gefährdung der Tarifautonomie sieht die Stiftung nicht. Der gesetzliche Mindestlohn würde dagegen die Tarifautonomie sogar stabilisieren. Dieser Meinung ist auch Walwei. "Ein Mindestlohn könnte zur Stabilisierung der Erosion von Tarifverträgen führen", sagte er angesichts der starken Flucht aus den Tarifverträgen in Deutschland.
Doch selbst das SPD-Mitglied Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrats (die "Wirtschaftsweisen"), sieht das Thema kritisch: "Jeder Mindestlohn über fünf Euro führt mit Sicherheit zu Jobverlusten, die insbesondere in Ostdeutschland zu spüren wären". Walwei sieht das ebenso: Eine Anhebung der Löhne in Branchen mit aktuell geringer Bezahlung beschere den Unternehmen steigende Kosten, "die erst wieder gedeckt werden müssten. Diese Beschäftigten wären dann gefährdet."
Position von Union und Arbeitgebern
CDU/CSU und die Arbeitgeber sind grundsätzlich gegen Mindestlöhne, die nicht zuletzt auch die Tarifautonomie in Frage stellten. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist klar: "Nur da, wo Gewerkschaften und Arbeitgeber es allein nicht schaffen, für faire Löhne zu sorgen, darf der Staat eingreifen." Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sekundiert: "Gesetzlich verordnete Mindestlöhne bedrohen bestehende Arbeitsplätze."
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla befürchtet, dass gesetzliche Mindestlöhne gering Qualifizierten den Weg in den Arbeitsmarkt versperren. Diesem auch vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft immer wieder vorgetragenen Argument stimmt auch Walwei zu. "Wettbewerbsschwächere Bewerber haben bei einem relativ hohen Mindestlohn schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt."
Situation in den anderen EU-Ländern
Bislang gibt es in 20 der 27 Mitglied-Staaten der Europäischen Union (EU) einen Mindestlohn: Die Spanne reicht von 53 Cent in Bulgarien bis zu 9,08 Euro in Luxemburg. Die Hans-Böckler-Stiftung verweist auf die guten Erfahrungen in Großbritannien. Dort sei seit der Einführung des Mindestlohns 1999 die Arbeitslosenquote deutlich zurückgegangen. Vor einer solchen Darstellung warnt Walwei jedoch. "So einfach kann man es sich nicht machen." Der Mindestlohn habe in den angelsächsischen Ländern eine ganz andere Funktion als in Deutschland, wo die Sozialleistungen schon immer deutlich höher gewesen seien.
Von Carsten Lappe, dpa
Quelle: ntv.de