Dossier

David gegen Goliath Gates entrümpelt Militäretat

Der US-Verteidigungsetat war immer so etwas wie eine "heilige Kuh", ein deutlicher Anstieg von Jahr zu Jahr Gang und Gäbe, auch nach dem Ende des Kalten Krieges. Jetzt will mit Pentagonchef Robert Gates ausgerechnet auch noch ein Republikaner bei den Militärausgaben aufräumen, zwar nicht kürzen, aber das Gefüge gründlich umkrempeln, Fehlplanungen und Misswirtschaft mit enormen Verzögerungen und Kostenexplosionen als Folge einen Riegel vorschieben. Ein Aufschrei der Empörung darüber war zu erwarten, und er kam auch prompt.

Denn Gates will die Axt bei einer ganzen Reihe von Großprojekten ansetzen, die seiner Ansicht nach weitgehend nutzlos sind in einer Welt, in der große konventionelle Kriege zu den unwahrscheinlichen Szenarien gehören. Aber das sind genau jene kostspieligen Programme, die der Rüstungsindustrie die lukrativsten Aufträge bescherten. Den Mitgliedern in den Wahlkreisen mit den Flugzeug- oder Panzerfabriken sicherten sie das Wohlwollen der Bevölkerung und damit Wählerstimmen.

Erstmals radikale Reformen im Pentagon

Es sind auch zugleich Prestigeprojekte für viele Militärs, Vorzeigevorhaben im Wettbewerb der Teilstreitkräfte um die modernste Ausrüstung. Und nun will Gates diese alte eingefahrene Struktur antasten, diese Art Komplizenschaft zwischen Politik, Militärs und Industrie - kein Wunder, dass Kongressabgeordnete wie der Republikaner Tom Price aus Georgia bereits Zeter und Mordio schreien und ihren Widerstand gegen das Vorhaben des Pentagonchefs ankündigen.

In seinem Heimatstaat schließlich wird die F-22 "Raptor" zusammengebaut, der kostspieligste US-Kampfjet aller Zeiten, mit mittlerweile mehr als 140 Millionen Dollar pro Stück weitaus teurer als ursprünglich einkalkuliert. 183 dieser Flugzeuge hat das US-Militär bisher angeschafft, kein einziges davon kam bisher zum Einsatz, denn diese "Luftüberlegenheitsjets" sind in den Kriegen in Afghanistan und im Irak so überflüssig wie ein Kropf. Aber die Luftwaffe wollte trotzdem noch mehr - ein Paradebeispiel für das, was Gates als "kaputtes" Ausgabe- und Beschaffungssystem anprangert.

Es ist das erste Mal, dass ein Pentagonchef derartige radikale Reformen in Angriff nimmt. Sein Schritt ist umso mutiger, als Militärs noch im letzten Jahr versucht hatten, zusätzliche Abermilliarden Dollar im Verteidigungsetat durchzusetzen, um ihren Appetit nach neuen hochmodernen Waffen zu stillen. Gates setzt dabei offensichtlich darauf, dass Sparzwänge angesichts der Wirtschaftskrise die Vernunft fördern. Alle Militärexperten geben ihm Recht: Die neuen Herausforderungen durch sogenannte asymmetrische Kriege, Kämpfe nicht gegen eine geballte Militärmacht, sondern gegen Terroristen, Aufständische und Guerillas, machen neue Prioritäten bei der Geldausgabe nötig. Ohne Kürzungen oder Streichungen bei Projekten, die sich noch an Verteidigungskonzepten aus der Zeit des Kalten Krieges orientieren, ist das schlicht nicht zu machen.

Tiefe Frustration des Verteidigungsministers


Signalisiert der Gates-Plan ein neues militärstrategisches Denken im Pentagon und im Weißen Haus, offenbart es zugleich die tiefe Frustration des Verteidigungsministers über die unflexible Beschaffungs- und Ausgabementalität im Rüstungssektor. Das kam nicht über Nacht. Auch Gates selbst war mit der "next-war-itis" (etwa: "nächster-Krieg-Krankheit") infiziert, ein in Washington kursierender Begriff für das Denken, immer das an Waffen zu übertreffen, was ein potenzieller Feind irgendwann in der Zukunft einmal besitzen könnte - koste es, was es wolle. Gates, so heißt es, lernte durch den Irakkrieg, wo es den Soldaten an gepanzerten Fahrzeugen zum Schutz vor Rebellen-Bomben mangelte. Derweil standen die F-22-Jets nutzlos in den Hangars.

Jetzt kommt auf Gates und dessen Chef Barack Obama ein harter Kampf beim Durchfechten des Plans zu, ein David gegen Goliath, gegen einen Koloss von Kongressabgeordneten im Verbund mit der Industrie. Und wie die Gegner ihnen an den Kragen wollen, ist auch schon klar - mit dem Argument Sicherheit als Knebel. Der Abgeordnete Price gibt einen Vorgeschmack. Es sei empörend, so zitiert ihn die "New York Times", dass Obama mit seinen "unverantwortlichen" Programmen gegen die Wirtschaftskrise "das Land unter einem Berg von Schulden begräbt, aber sich weigert, Programme zu finanzieren, die lebenswichtig für unsere nationale Verteidigung sind".

Gabriele Chwallek, dpa

Quelle: ntv.de

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