Dossier

Rechte in Sachsen-Anhalt Gewalt und Polizei-Pannen

Ausländer verprügelt, Dunkelhäutige in der Straßenbahn beleidigt, illegales Skinheadkonzert verhindert: In Sachsen-Anhalt, dem Land mit der bundesweit höchsten Zahl rechter Gewalttaten, vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht Rechtsextreme für negative Schlagzeilen sorgen. Ihre Brutalität und Menschenverachtung kennt oft keine Grenzen. Zuletzt griffen zwei Männer in einem Magdeburger Nachtbus sogar eine schwangere Frau aus dem Irak an. Politik und andere gesellschaftliche Kräfte versuchen gegenzusteuern, durchschlagende Erfolge stellten sich indes bisher nicht ein. Stattdessen überschatten Polizeipannen und Skandale den ohnehin mühsamen Kampf gegen das rechte Unwesen.

Jüngstes Beispiel ist der Versuch des Landeskriminalamtes (LKA), die Kriminalstatistik durch veränderte Zählweise zu schönen. Waren die Verursacher etwa von Hakenkreuzschmierereien nicht bekannt, wurden die Straftaten auch nicht als rechtsextrem motiviert gezählt. Folge: Die Zahl der erfassten rechten Taten sank im ersten Halbjahr um etwa die Hälfte. Nach Bekanntwerden dieses Vorgehens trat der Magdeburger LKA-Chef, Frank Hüttemann, vor wenigen Tagen zurück.

Doch auch sein Vorgesetzter, Innenminister Holger Hövelmann (SPD), gerät zunehmend unter Druck. Er betont zwar, von den Manipulationen nichts gewusst und diese schon gar nicht angeordnet zu haben. Die Opposition in Magdeburg sieht bei ihm indes noch jede Menge Aufklärungsbedarf. Linke-Fraktionschef Wulf Gallert konstatiert "ernsthafte strukturelle Probleme in der Polizeiführung Sachsen- Anhalts", die der Minister mit aller Konsequenz angehen müsse.

Der Minister trägt die politische Verantwortung

In der Tat trägt der Minister die politische Verantwortung für eine ganze Reihe schwerer Fehler, die der Polizei in den letzten Monaten bei Ermittlungen gegen rechte Straftäter unterliefen. Ein Beispiel war der brutale Überfall auf Schauspieler in Halberstadt im Juni, bei dem Beamte einen Tatverdächtigen zunächst laufen ließen. Diese und andere Pannen sind derzeit auch Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages.

Die Debatte um all diese Probleme überdeckt in der öffentlichen Wahrnehmung das Bemühen der CDU/SPD-Regierung von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU), sich dem Rechtsextremismus als gesellschaftliche Herausforderung stärker zu stellen. So hat sie etwa die Kampagne "Hingucken - Für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt" gestartet und Verbesserungen bei der Weiterbildung von Polizisten, Lehrern oder Richtern angestoßen. Im Bundesrat startete sie einen Vorstoß zur Änderung des Strafgesetzbuches, um rechtsextreme Gewalttäter härter zu bestrafen. An Schüler verteilte sie eine kostenlose CD, auf der Popgrößen gegen Rechts mobil machen.

"Das politische Bemühen, das Thema anzugehen, ist erkennbar. Es hat sich schon einiges getan", sagt Martina Nees von der Mobilen Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt in Sachsen-Anhalt. Das Problem - übrigens bundesweit - sei indes ein latenter Rassismus in breiten Bevölkerungskreisen, dessen Überwindung Zeit brauche. Auch könne die Politik nicht alles richten, jeder einzelne könne Zivilcourage zeigen: "Wenn ein Neonazi im Bus auf einen Ausländer prügelt, muss ich nicht auf die Politik warten, bis ich mein Handy nehme und die Polizei alarmiere."

Von Stefan Kruse, dpa

Quelle: ntv.de

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