Wandlung durch Finanzkrise Gordon Brown blüht auf
12.10.2008, 11:51 UhrSelten hat man den britischen Premierminister in den letzten Monaten so gelöst gesehen. Als Gordon Brown während einer Rede vom Handy-Klingeln aus dem Zuhörerraum gestört wurde, antwortete er dem unbekannten Störenfried: "Ich weiß nicht, ob schon wieder eine Bank zusammengebrochen ist." Über seinen Spruch freute sich Brown so sehr, dass er zehn Sekunden nicht weitersprechen konnte. Dabei hatte Brown eigentlich keinen Grund zur Heiterkeit, erst wenige Stunden zuvor hatte er ein Rettungspaket für die Bankenlandschaft präsentiert, für das er 500 Milliarden Pfund (629 Mrd Euro) an Steuergeldern in die Waagschale werfen musste. Doch von Schwermut keine Spur, die Finanzkrise scheint Brown geradezu aufblühen zu lassen.
Washington, New York, Paris und die Downing Street - das weltweite Bankenchaos bot Brown in den vergangenen Wochen viele Bühnen. Und überall setzte sich Brown dank der allgegenwärtigen Kameras als Macher in Szene. Er traf Staatschefs im Ausland, verstaatlichte in der Heimat erneut eine Bank und schnürte mit seinem Finanzminister Alistair Darling ein schwindelerregendes Rettungspaket, das er staatsmännisch dem Volk erklärte.
Steuer fest im Griff
Brown gibt derzeit den von ihm selbst beschworenen "ernsthaften Menschen für ernste Zeiten", der das Steuer in rauer See fest im Griff hat. Während Banken in aller Welt zusammenbrechen und die Aktienwerte der britischen Geldinstitute in den Keller rauschen, befindet sich der langjährige Ex-Finanzminister scheinbar in seinem Element. "Wenn man bedenkt, wo er vor einem Monat war, geht es ihm jetzt deutlich besser", werden Mitarbeiter aus Browns Umfeld zitiert.
Damals hatte der Premier die wohl schlimmste Phase seiner Amtszeit durchmachen müssen. Nach einem herben Absturz in der Wählergunst war Browns Autorität Mitte September auf dem Tiefpunkt angelangt, als sich gut ein Dutzend Labour-Abgeordnete zu Wort meldeten und seinen Führungsanspruch infrage stellten. Mit einer emotionalen Rede auf dem Parteitag in Manchester verschaffte sich Brown zunächst eine Atempause. Und bei seinem Ausruf "Keine Zeit für Anfänger" schien er die dramatische Zuspitzung der Finanzkrise vorausgesehen zu haben.
Kurzfristiges politisches Überleben
Für sein kurzfristiges politisches Überleben konnte Brown kaum etwas Besseres als das weltweite Finanzchaos passieren. Seine Partei steht fester zu ihm oder hält sich mit Kritik zurück. Die Ernennung des EU-Handelskommissars Peter Mandelson zum Wirtschaftsminister besänftigte die Anhänger seines Vorgängers Tony Blair. Und sogar den oppositionellen Konservativen bietet Brown derzeit keine rechte Angriffsfläche, weil Parteichef David Cameron in diesen Zeiten eher auf Kooperations- statt Konfrontationskurs fährt.
Bleibt die Frage, inwieweit Brown aus der Situation auch langfristig politisches Kapital schlagen kann. In den letzten Umfragen lag Labour immer noch rund 15 Prozentpunkte hinter den Konservativen. Und irgendwann wird die Opposition wohl bemängeln, dass bei den Treffen mit anderen Regierungschefs nicht viel herausgekommen ist und dass die Regierung auf die Ereignisse der Finanzkrise nur reagiert hat.
Einen ersten Vorgeschmack bekam Brown schon während des Parteitags der Konservativen, als die Tories ihm vorwarfen, als langjähriger Schatzkanzler eine Mitschuld am risikoreichen Handeln der Banker zu tragen. Und der Wähler wird Brown spätestens Mitte 2010 nicht an seinem Auftreten, sondern am Ausgang der Krise messen.
Quelle: ntv.de, Thomas Pfaffe, dpa