Dossier

Ein klassischer Kompromiss Hamburg verabschiedet Schulreform

Den Gegnern der Schulreform bleibt nur noch das von der Initiative bereits durchgesetzte Volksbegehren gegen die Primarschule.

Den Gegnern der Schulreform bleibt nur noch das von der Initiative bereits durchgesetzte Volksbegehren gegen die Primarschule.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Zuletzt lagen bei Hamburgs Schulreformgegnern die Nerven blank. Wissend, dass sie eine der tiefgreifendsten Änderungen des Schulsystems in der Hansestadt nicht verhindern können, schreckte deren Sprecher Walter Scheuerl auch nicht vor NS-Vergleichen zurück. Er unterstellte der Bildungspolitik von CDU und Grünen "eine Tradition in der NS-Pädagogik des (...) Erziehungswissenschaftlers Peter Petersen". Es bestehen kaum noch Zweifel, dass die Bürgerschaft am Abend dem Reformwerk von Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL) mit den Stimmen der schwarz-grünen Mehrheit zustimmen und durch eine Änderung des Schulgesetzes den Weg für sechsjährige Primarschulen sowie Stadtteilschulen und Gymnasien freimachen würde.

Zu lange fand sich Hamburg bei den PISA-Studien auf den hinteren Plätzen, als dass die Hansestadt ihre Schulpolitik weiter wie bisher betreiben wollte. Obwohl Hamburg über lange Zeit mehr Geld pro Schüler ausgab als jedes andere Bundesland in Deutschland, war nur in Bremen der Anteil jener 15-jährigen Schüler noch größer, die elementare Wissenslücken aufwiesen und von den Wissenschaftlern als kaum ausbildungsfähig eingestuft wurden. So verließen in den vergangenen fünf Jahren annähernd 11 Prozent aller Schüler in Hamburg ihre Schule ohne irgendeinen Abschluss.

In 12 oder 13 Jahren zum Abitur

Die Herausforderungen waren also hoch. Das hatte bereits die CDU während ihrer Alleinregierungszeit (2004 bis 2008) erkannt. Eine Enquete-Kommission erarbeitete damals innerhalb eines Jahres einen mehr als 100 Seiten starken Bericht mit knapp 180 Empfehlungen. Das meiste war dabei zwischen den Parteien unstrittig. Nur bei der Schulstruktur lagen die Meinungen weit auseinander.

Auf der einen Seite standen die CDU und Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU), die eine vierjährige Grundschule und im Anschluss Stadtteilschulen und Gymnasien haben wollten. Auf der anderen Seite lehnten unter anderem die Grünen mit der heutigen Schulsenatorin Goetsch ein "Zwei-Säulen-Modell" ab und propagierten "eine Schule für alle" nach skandinavischem Vorbild.

Nach dem Regierungswechsel und Beginn der ersten schwarz-grünen Koalition in Deutschland auf Länderebene ist daraus ein klassischer Kompromiss geworden. CDU und Grüne verständigten sich auf der einen Seite darauf, Haupt-, Real- und Gesamtschulen abzuschaffen und stattdessen in Stadtteilschulen alle Bildungsabschlüsse bis hin zum Abitur nach 13 Jahren anzubieten und zudem Gymnasien zu etablieren, die schon nach 12 Jahren zur Hochschulreife führen.

Längeres gemeinsames Lernen

Auf der anderen Seite werden die bisherigen Grundschulen aufgelöst und im Sinne eines längeren gemeinsamen Lernens durch sechsjährige Primarschulen ersetzt, in denen aber auch schon Inhalte aus weiterführenden Schulen vermittelt werden sollen. Das Sitzenbleiben wird zudem abgeschafft, die klassischen Noten werden zum Teil durch ein Punktesystem ersetzt. Zusammengefasst steht dies alles nun in einem mehr als 150 Seiten umfassenden Gesetz.

Vor allem die CDU hatte lange Zeit Bedenken. Auch wenn Bürgermeister Ole von Beust mehrfach erklärte, dass er inzwischen von dem neuen Modell überzeugt sei und es mit Händen und Füßen verteidigte, war die Skepsis vor allem auch wegen der Finanzierung bei den Christdemokraten groß. Und wie die Schulreformgegner um Scheuerl haderten viele mit der sechsjährigen Primarschule, die aus ihrer Sicht das Ende der klassischen Gymnasien bedeuten könnte.

Seit Scheuerl jedoch am Montag per Mail seinen NS-Vergleich veröffentlicht hatte, sind viele von ihm abgerückt. Nun bleibt ihm nur noch das von der Initiative bereits durchgesetzte Volksbegehren gegen die Primarschule. Bis zum 17. November müssen rund 62.000 Unterschriften zusammenkommen.

Quelle: ntv.de, Markus Klemm, dpa

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