Dossier

Kreisgebietsreform in MV Hansestädte fürchten große Kreise

Wenig Menschen, aber viel Verwaltungspersonal. Das wird auch in Mecklenburg-Vorpommern zu teuer. Eine Reform soll Einsparungen bringen - die Hansestädte stemmen sich dagegen.

Die Wappen der Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern. Die seit 1994 bestehenden zwölf Landkreise sollen zu sechs größeren Einheiten zusammengelegt werden.

Die Wappen der Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern. Die seit 1994 bestehenden zwölf Landkreise sollen zu sechs größeren Einheiten zusammengelegt werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Geldmangel im Osten zwingt zum Handeln: Nach Sachsen und Sachsen-Anhalt soll nun auch Mecklenburg-Vorpommern eine große Kreisreform bekommen. Doch die Halbierung der Zahl der Kreise sorgt bei den Nordostdeutschen seit Jahren für heiße Kämpfe. Vor allem die alten Hansestädte pochen auf ihre Eigenständigkeit.

An diesem Mittwoch soll nun der Landtag in Schwerin das umstrittene "6+2-Modell" beschließen. Die seit 1994 bestehenden zwölf Landkreise werden zu sechs größeren Einheiten zusammengelegt, von den sechs kreisfreien Städten behalten nur Rostock und Schwerin diesen Status. Eine Mehrheit für das Gesetz dürfte dank der großen Koalition sicher sein. Ein schnelles Ende des Streits aber nicht.

Es muss überschaubar bleiben

Der Sitz des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern: Das Schloss in Schwerin.

Der Sitz des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern: Das Schloss in Schwerin.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der erste Anlauf zur Neuordnung der Kreise war 2007 vom Landesverfassungsgericht in Greifswald gestoppt worden. Die noch unter der früheren rot-roten Landesregierung beschlossenen fünf Großkreise verletzten das Recht auf kommunale Selbstverwaltung, urteilten die Richter. Ehrenamtliche Kreistagsabgeordnete müssten ihren Kreis noch überschauen können. Außerdem seien Alternativen zur Reform nicht ausreichend abgewogen worden.

Einer der damaligen Kläger, der CDU-Politiker Lorenz Caffier, musste als neuer Innenminister den Scherbenhaufen zusammenkehren und den zweiten Reformanlauf gestalten, der "klagefest" sein soll.

Auch nach dem neuen Gesetzentwurf werden in Mecklenburg-Vorpommern, dem am dünnsten besiedelten Bundesland, die deutschlandweit größten Landkreise entstehen. Der Kreis Mecklenburgische Seenplatte wird voraussichtlich 5500 Quadratkilometer umfassen, also mehr als doppelt so groß wie das Saarland sein. Mit einer Einwohnerzahl von rund 250.000 steht der neue Kreis indes lange nicht an der Spitze im bundesweiten Vergleich. Bis 2030 wird die Zahl zudem voraussichtlich unter 200.000 sinken.

Problem "Entvölkerung"

Das ist das Kernproblem Ostdeutschlands: Aufgrund der demografischen Entwicklung entvölkern sich manche Landstriche geradezu. Die Verwaltungskosten werden zu einer immer größeren Last. Jeder Einwohner weniger bedeutet nach dem Länderfinanzausgleich einen Verlust von 2400 Euro pro Jahr für Mecklenburg-Vorpommern. Zudem läuft 2019 der Solidarpakt aus. Und die Verwaltungskosten im Nordosten Deutschlands sind heute deutlich höher als in westlichen Ländern.

Doch es lässt sich nur wenig einsparen, wenn die Strukturen unverändert bleiben, argumentiert Innenminister Caffier. In sechs verschiedenen Gutachten sei dagegen festgestellt worden, dass eine Kreisreform eine jährliche Ersparnis von 40 bis 100 Millionen Euro bringen würde.

Der Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern bestreitet diese Zahlen. Zumal der Blick auf die Finanzen grundsätzlich zu kurz greife, sagt Geschäftsführer Jan Peter Schröder. "Wo bleibt die kommunale Selbstverwaltung?", fragt er. Der Landkreis Müritz habe jetzt 47 Kreistagsabgeordnete. Künftig werde dieselbe Region mit nur noch 17 Abgeordneten im Parlament der Mecklenburgischen Seenplatte vertreten sein. Der "Aufbau von unten" sei ein Kernelement der Demokratie. "Gerade in den neuen Bundesländern ist es bedenklich, den Leuten das schon wieder wegzunehmen", sagt Schröder.

Verfassungsklage angekündigt

Wie der Landkreistag kündigt auch der Städte- und Gemeindetag an, er werde die unter anderem von Wismar und Greifswald angekündigten Verfassungsklagen gegen die Reform unterstützen. Das Gesetz sei "völlig unausgegoren", meint Verwaltungsexperte Arp Fittschen von dem kommunalen Spitzenverband. Ursprünglich hätten die "Zentren" - gemeint sind die vier kleineren kreisfreien Städte - gestärkt werden sollen.

Damit berührt Fittschen einen wunden Punkt. Vor allem die beiden alten Hansestädte Wismar und Greifswald verweisen selbstbewusst auf Erfolge in Wirtschaft und Kultur. Sie befürchten, mit dem Verlust ihrer Kreisfreiheit auch an Prestige einzubüßen. Dass sie beide Kreis-"Hauptstädte" werden sollen und auch ihre eigenen Autokennzeichen behalten dürfen, wird sie nicht von Klagen abhalten.

Sollten diese keinen Erfolg haben, bliebe noch ein anderer Weg: In Sachsen-Anhalt ist soeben ein Volksbegehren gegen die Gemeindereform angelaufen.

Quelle: ntv.de, Bernhard Sprengel, dpa

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