Dossier

Gespaltenes El Salvador Historische Wahl erwartet

Mit dem Kleinstaat El Salvador könnte an diesem Sonntag ein weiteres Land in Lateinamerika nach links abdriften. Die linke FMLN hat bei der Präsidentenwahl große Chancen, zum ersten Mal die seit zwei Jahrzehnten herrschende rechte Arena-Partei abzulösen. Beide Parteien haben junge Kandidaten ins Rennen geschickt, die von sich sagen, in der Lage zu sein, die aus dem Bürgerkrieg der 80er Jahre herrührende Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Beide haben die radikalen Plattformen ihrer Parteien verlassen und sich auf die Mitte zubewegt.

El Salvador hat sich noch lange nicht von dem 1992 zu Ende gegangenen Bürgerkrieg erholt. In den elf Jahren der grausamen Auseinandersetzung zwischen rechten Regierungen und der linken Guerillabewegung Nationale Befreiungsfront Farabundo Mart (FMLN) wurden rund 75.000 Menschen getötet. Viele gelten noch heute als vermisst. Die von Unternehmern, den Reichen und der Kirche getragene rechte Arena-Partei (Alianza Republicana Nacionalista) war 1989 an die Regierung gekommen. Heute leben 5,7 Millionen Einwohner in El Salvador, dem kleinsten Land in Zentralamerika. 2,9 Millionen Salvadorianer leben im Ausland, 2,3 Millionen davon in den USA.

Ausgang ist völlig offen

Der Ausgang der Wahl ist völlig offen. Die Kandidaten, Mauricio Funes (49) von der FMLN und Rodrigo Avila (45) von der Arena-Partei, liegen nach den in der Regel nicht sehr zuverlässigen Umfragen mal gleichauf, mal führt der eine, mal der andere. Wie unzuverlässig Umfragen in El Salvador sind, hatte sich zuletzt im Januar gezeigt, als die nach allen Umfragen favorisierte FMLN die Kommunalwahlen in der Hauptstadt verlor. Bei den Parlamentswahlen aber hatte sie landesweit knapp die Nase vorn. Analysten hoffen jetzt vor allem, dass die Wähler eine klare Entscheidung treffen werden. Ein knapper Wahlausgang könnte möglicherweise eine politische Krise auslösen.

Funes war erst vor einem Jahr von der FMLN aufgestellt worden. Der eloquente frühere Fernsehjournalist war bis vor einem halben Jahr kein Mitglied der aus der linken Guerilla hervorgegangenen Partei - ebenso wenig wie die meisten seiner Mitstreiter, die er vor einigen Tagen als Mitglieder seiner künftigen Regierung präsentierte. Dennoch haben die Gegner vor allem in den letzten Wochen schwere Geschütze gegen ihn aufgefahren: Er werde von den alten Comandantes der FMLN gesteuert, hieß es. Und: Er liefere das Land Kuba und Venezuela aus. Als weitere "linke" Länder auf dem Kontinent gelten unter anderem Bolivien, Ecuador und Chile sowie Brasilien.

An die Spitze der Angstkampagne der Medien, die zum größten Teil für Arena sind, stellte sich der scheidende Präsident Antonio Saca: "Das einzige, was sich in der FMLN geändert hat, ist der offenbar moderate Kandidat. Am Ende wird er den Befehlen aus Havanna und aller seiner Chefs folgen müssen", sagte Saca in einen Interview der Zeitung "El Diario de Hoy", die Arena nahe steht.

Funes will den Wechsel

Dem hat Funes stets widersprochen. Der mit einer Brasilianerin verheiratete Kandidat sagte, er stehe vor allem dem brasilianischen Präsidenten Incio Lula da Silva nahe, mit dem er eng befreundet sei. "Wir haben eine Verpflichtung zu einem Politikwechsel", sagte er vor Journalisten, nicht zuletzt auch wegen der Weltwirtschaftskrise.

Sie wird El Salvador wegen der Abhängigkeit von den USA besonders hart treffen, sagen die Experten. "Aber eine Abwendung von den USA wäre Selbstmord", erklärte Alex Segovia, engster Berater des linken Kandidaten. 2008 überwiesen die Salvadorianer aus den USA rund 3,8 Milliarden Dollar in ihre Heimat. Das ist der größte Brocken unter den Deviseneinnahmen des mittelamerikanischen Landes. Doch jetzt gehen die Überweisungen, die "remesas", spürbar zurück.

Avila für mehr Solidarität

Auch Avila gehört nicht der rechten Oligarchie aus einigen reichen Familien an, die das Land seit vielen Jahrzehnten unter sich aufgeteilt haben. "Wie müssen dem privaten Sektor mehr Solidarität und soziale Verantwortung abverlangen", sagte er der dpa, ohne Einzelheiten zu erläutern. Der Besitzer eines Sicherheitsunternehmens war bereits zweimal Polizeichef und gilt als ein Gefolgsmann Sacas. Dessen Versuche, die ausufernde Gewalt in El Salvador mit zuletzt mehr als 3000 Morden mit "superharter Hand" 2008 zu besiegen, sind kläglich gescheitert. Die Zahl der Morde ist in den ersten Monaten 2009 wieder gestiegen.

Angesichts der Gewalt und der Wirtschaftskrise ist das Land gezwungen, im Innern endlich Frieden zu schließen. "Wer die Wahl gewinnt, hat die Chance, die Konfrontation zu überwinden", sagte Hugo Barrera, Generaldirektor des Lebensmittelunternehmens Diana, ein ertreter der alten Arena-Partei. "Wir aber könnten das besser, weil wir mehr Erfahrung haben."

Quelle: ntv.de, Franz Smets, dpa

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